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in Prosa haben den Vorzug, daß man in ihnen wenigstens nicht so leicht verführt wird, reinen Nonsens zu sagen, was bei künstlichen Rhythmen nur zu leicht geschehen kann. Dagegen verführt die Form zu einem weichen bequemen Pathos, und zu einem Verschwimmen in Abstractioncn, das nicht weniger unpoetisch genannt werden muß. In diesem Genre hat eigentlich nnr Novalis Bedeutendes geleistet, dessen Hymnen an die Nacht trotz ihrer gestaltlosen Mystik eine reiche Quelle der Poesie enthalten. Im Ucbri- gen dürfte es doch gerathener sein, was sich einer wirklich poetischen Gestalt nicht bequemen will, lieber in reiner Prosa zu sagen, denn die Mischgattungen sind nicht förderlich für die Literatur. — Anna. Ein Idyll in sieben Gesängen von Karl Heinrich. Zweite Aufl. »Kiel, Schröder. Die erste Auflage hat in Holstein, von dessen Stillleben sie ein anmuthiges Bild giebt, vielen Anklang gefunden. Das Gedicht verdient es auch wegen des zugleich ernsten und heitern Gemüths, das sich in ihm ausspricht. In ästhetischer Beziehung ist aber viel dagegen einzuwenden. Das Idyll verlangt in seiner ersten Grundlage allerdings eine derbe und detaillirte Schilderung der kleinen Wirklichkeit, wie sie uns Voß gegeben hat; zu eiucm Kunstwerk aber erhebt es sich erst, wenn es eine ideale Färbung und.wenigstens die Ahnung einer weitern Perspective gewinnt, wie es z. B. Goethe in seinem Herrmann und Dorothea so unvergleichlich gelungen ist. Das gegenwärtige Gedicht erinnert mehr an Luise, als an Herrmann und Dorothea, ja die Sprache geht in ihrer Bequemlichkeit zuweilen noch über Voß hinaus. — Zum Schluß führen wir ein Paar Sammlungen aus einem andern beliebten Genre an: Orientalische Granaten von Castelli (Dresden, Schäfer), und: Sagen aus dem Orient, nach den Quellen bearbeitet von Letter is (A. Aufl. Mannheim, Belsheimer). >— In beiden Sammlungen ist nur der Juhalt orientalisch, die Art uud Weise der Behandlung ist modern; doch nimmt es der Letztere strenger mit seinen Quellen. Er hat auch wissenschaftliche Erläuterungen hinzugefügt, die sein Verhältniß zn denselben feststellen sollen. Wir finden in beiden Büchern manche interessante Stoffe geschickt und poetisch behandelt; doch will es nns scheinen, als ob es zweckmäßiger wäre, wenn wir uns mit unsrer Poesie in unser eigenes Wesen vertieften. Die Nachbildung der orientalischen Poesie hat in einer Zeit, wo es uns an Farbe fehlte, der Dichtung einen neuen Schwung gegeben. Auf die Länge bringt aber doch gerade dieser Farbenreichthum eine gewisse Eintönigkeit und einen Mangel an gemüthlicher Betheiligung hervor, welcher der natürlichen Entwickelung der Poesie nicht günstig ist. Wer hat ohne Genuß im Westöstlichen Divan oder in den Ocstlichen, Rosen gelesen? Aber diese tropische-Vegetation wird doch früher vergehen, als der Naturwuchs unsrer deutschen Pflanzenwelt. — Oscar v. Redwitz ist in der Ksvuo <Zes äeux mcmäes von Taillandier in einem aussührlichcn Artikel besprochen worden. Der Kritiker sieht in ihm eine glückliche Reaction gegen die Unthaten der Hegelianischen Demagogen, die wie die brüllenden Löwen herumgingen, um alle Unschuld und alles Christenthum zu verschlingen. „Es ist endlich Zeit," sagt er, „daß Deutschland sich wiederfinde. Mit dem liebenswürdigen Dichter, den es mit so großem Entzücken aufgenommen hat, scheint es weuigsteus zur Kindheit zurückgekehrt zu sein. (II sembls ä^Ä qu'ollö rsvienne z, I'eiMnos,)" — So wär' es ja zum Lächeln wieder Zeit! —Taillandier giebt übri- geus eine Biographie. Der Dichter ist^ nach ihm im Juui 1833 im Ansbach'sclM geboren, wenn das nämlich nicht ein Druckfehler ist, denn nach dieser Berechnung müßte