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Wem, schon ein bloßes fortgesetztes Anschauen vortrefflicher Werke einen Jeden von dem unbewußten Staunen endlich zu einer gewissen instinctartigcn Sicherheit in der Erkenntniß des Schönen führt, so wird ein planmäßiges Studium zur völligen Einsicht in die Gründe bringen, durch welche jene Werke den hohen Grad künstlerischer Vollendung ^'reicht haben, durch den sie auch den Nohestcn in ein ehrfurchtsvolles Staunen versetzen, und wenn dann auch noch Vieles, vielleicht die größte Halste dieser Vorzüge immerhin unaussprechbar bleibt, weil eben die Kunst da in ihr eigenstes Gebiet eintritt, wo die Sprache verstummt, so lasse» sich doch die Principien, ohne welche diese unaussprechbaren Vorzüge nicht zu erreichen gewesen wären, in Worte fasse» und zum sichern Leitfaden eben so bei Erschaffung, wie bei Beurtheilung von Kunstwerken vereinigen. Zur Unterstützung bei diesen Studie» empfehlen wir schließlich ein Werk, dessen specielle Besprechung wir für ein anderes Mal ersparen: Das Wesen der Malerei von M. Unger. —
Literatur. — Wir erwähnen zunächst die gesammelten Werke des Grasen August v. Platen, 6. u»d 7. Baud (Leipzig, Dyk). Sie sind znr Ergänzung dcr ^ottci'schc» Gesammtausgabe bestimmt und werden allen Verehrern des Dichters eine willkommene Zugabe sei». Daß wir zu diesen nicht gehören, haben wir in einer frühern Nummer angedeutet; wir dürfen daher wol kaum noch bemerken, daß wir die Ansicht des Herausgebers, Johannes Minckwitz, dcr in Platen die Spitze der lyrischen Poesie sucht, nicht theilen. — Aus dem poetischen Nachlaß enthalten diese beiden Bände namentlich eine schwache Jugendarbeit, „Marats Tod" und die „Polcnlieder", die zu dem Interessanteste» gehöre», was er in dcr Lyrik gclcistct hat, weniger ihres ästhetischen Werths wegen, als wegen des lebhaften und wahren Gefühls, das sich in ihnen ausspricht. Eins von diesen Gedichten ist anch in formeller Beziehung fchön: „O kommt im Verein, ihr Männer, o kommt" u. f. w. — Der Hauptinhalt ist dcr Briefwechsel des Dichters mit seiüem Jugendfreunde, dem Grafen Fugger, uud ciuigeu Anderen. Die älteren Briefe, die während der Anwesenheit des Dichters in Deutschland geschrieben sind, enthalten manche lehrreiche allgemeine Betrachtungen; in de» italienische» Briefen dagegen, die den ganzen zweiten Band ausfüllen, herrscht das persönliche und geschäftliche Interesse auf eine nicht gcrade angenehme Weise vor. Einiges davon hätte der Herausgeber wol im Interesse seines Helden auslasscn sollen, z. B. die leidenschaftlichen Ausfälle gegen Cotta, die doch kein cultnrhistorisches Interesse haben, uud die zu Recrimiuationen fuhren könnten. Ucberhaupt geht die Reizbarkeit des Dichters in'S Grenzenlose. Wir führen hier einige Stellen an, die sich auf Heiue beziehen. In einem Briefe an Schelling vom December 1828 sagt er (Bd. 7, x. 1i3): „Noch kürzlich besuchte dcr schamlose Jude Heiue, ein armseliger Schmierer und Sansculotte, von dem nur neulich ei» Durchreisender 'ein Werkchen mittheilte, einen meiner Bekannten in Florenz und äußerte, indem er behauptete, daß ich in Deutschland gar uicht bekannt sei. daß Cotta von feinem letzten Werkche» i» drei Monaten 6000 Exemplare abgesetzt habe .... Erlauben Sie mir, eine Nation, deren beliebteste Schriftsteller, wie doch die egg» Exemplare beweisen, wahre Satanasse sind, zu verabscheuen. Ob cS dieser Mensch durch seine Intriguen bei Cotta nicht dahin bringt, daß dieser meinen Oedipus, womit ich dem ganzen Lumpengesindel die Centnerlast meiner Überlegenheit fühlen lasse,
Grenzboten. III. -I8S2. üö