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Wochenbericht.
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sie es nicht für besonders ruhmwürdig halte, junge Sängerinnen auf dem Markt aus­peitschen zu lassen, weil sie ein patriotisches Lied vorgetragen, in einer eroberten Stakt

, massenweise Erschießungen vorzunehmen und lange nach Beendigung eines Bürgerkriegs ergraute Staatsmänner und Feldherren, den Stolz ihrer Nation, an .den Galgen zu schicken, scheint uns gar nicht unzweckmäßig. > Das öffentliche Sittlichkcitsgefühl hat allerdings ein Recht, sich vernehmlich zu machen, und die würdigste Art, es auszudrücken, besteht darin, daß man um den Mann, der es auf's schrecklichste verletzt hat, einen Cor­don bildet, wie um Gegenden, die von der Pest heimgesucht sind. Es ist gerade für unsre Partei zwar ein Zeichen von ehrenwerther Bildung, daß sie in ihrer frühern Polemik,' so sehr sie, auch provocirt wurde, fast überall die Persönlichkeiten vermieden hat; .allein auch dieser an sich vollkommen richtige Grundsatz hat seine Grenzen. Es giebt Fälle, wo der allgemeine Abscheu sich nicht blos auf die Sachen, sondern mich aus die Personen erstrecken muß. In dieser Beziehung haben die Zwistigkcitcn, die sich in kleineren Nänmen bewegen, den Vorzug, sehr bald eine bestimmtere sittliche Physio­gnomie anzunehmen. So ist es z. B. mit Schleswig-Holstein. Hier hat die öffent­liche Meinung nicht die geringste Macht, sactisch in die Verhältnisse einzugreifen, nnd doch ist sie in einem gewissen Sinn allmächtig, denn sie entzieht dem Verräthcr an der Sache seines Landes, ohne sich durch irgend einen sentimentalen Zweifel stören zu lassen, augenblicklich die geistige Lebenslust. Die allgemeine Bewegung in Deutschland war darin viel ungünstiger gestellt. Die Conflicte der Parteien waren so zahlreich, so wenig zu übersehen, und es durchkreuzten sich so viele nur dem Mikroskop wahrnehmbare Fäden, daß an ein allgemeines, mit einer gewissen Sicherheit und Würde austretendes Urtheil nicht zu denken war. Jetzt sind die Zeiten anders geworden. Die kleinen Parteien­unterschiede gerathen mehr und mehr in Vergessenheit und werden zum Theil nur noch künstlich aufrecht erhalten; dagegen sind die Verbrechen gegen die öffentliche Sittlichkeit so in's Große getrieben, daß gar keine bestimmte politische Gesinnung, sondern nur noch ein Rest von gesundem Meuschenverstcmd und gesundem Gefühl dazu gehört, um sie in ihrer ganzen Scheußlichkeit zu begreifen.> Es ist darum , nicht unzweckmäßig, von Zeit zu Zeit die Aufmerksamkeit, aus solche Ausgeburten der menschlichen Verwor­fenheit binzulenkcn, und wie Jnnius sich ausdrückt,sterblicher Infamie das Gepräge der Unsterblichkeit zu verleihen." Als ein solches Zeugniß, wie tief der Mensch sinken kann, führen wir heute ein unscheinbares Localblatt an, denKönigsbcrger Freimüthigen". Dieses Blatt galt seit dem Anfang der Revolution, wenn nicht für einen Ausdruck von den wirklichen Gesinnungen der Regierung, doch wenigstens für den Ausdruck einer von ihr protegirten Gesinnung. Es hat sich in der neuesten Zeit zu einer Höhe aufge-

- schwangen, wie sie wol die Literatur keines andern Volks erreicht bat. Der Redacteur erzählt unter Anderem, man habe einen gewaltsam abgetriebenen Fötus gefunden, der in eine schwarzrothgoldne, mit der Firma einer bekannten Königsberger Handlung be­zeichnete Fahne eingewickelt sei. Ein anderes Mal begegnet er einem mit Namen ge­nannten, allgemein geachteten Königsbcrger Kaufmann. Er wird von diesem, wie von einigen Anderen, die mit ihm gehen, mit verächtlichen Blicken angesehen, uud setzt hinzu! Ich mache mir aber nichts daraus, denn ich weiß sehr gut, daß diese Herren in's Bordell gehen, in der und der Straße." Solche Infamien kommen nicht etwa einzeln vor, sondern Woche für Woche, ja sie füllen das ganze Blatt aus, und dieses Blatt soll von der Polizei nicht blos sribventionirt, sondern auch mit Beiträgen verschen werden-