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Eine Apologie der Frauen.
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liegt in ihrem ganzen Wesen." Obwol Goethe öfter durch leidenschaftliche Auf­wallungen bewies, daß er sich nicht immer auf die Schwärmerei der Freundschaft beschränken konnte, so hat er doch niemals von ihr verlangt, der Welt und der Sitte zum Trotz, ihre langjährige Ehe zu trennen; wie Adolph Stahr es ihr dennoch als Verbrechen anrechnen kann, dies nicht gethan zu haben, ist wirklich unbegreiflich. Er geht sogar soweit, die edle Frau zu beschuldigen, sie Habenach dem Tode ihres Gemahls, also schon im sunzigsten Jahre, den thörichten Wnnsch gehegt, noch von Goethe zum Altare geführt zu werden, und als dies nicht gelun­gen, habe sie aus Rache ihre Briefe zurückgefordert. Die erste Beschuldigung wird hinreichend durch das ganze würdevolle Leben der Frau von Stein wider­legt, was aber die Rückforderung der Briefe betrifft, so geschah diese fast 3öJahr später, und wurde sicherlich nur durch die Befürchtung veranlaßt, daß ihre in­nersten Empfindungen und Gedanken nach dem Tode der Oeffentlichkeit preisge­geben würden, ein Schicksal, das dem weiblichen Zartgefühl unerträglich erschei­nen muß, und nur der raffinirtesten Eitelkeit wünschenöwerth sein kaun. Sie vernichtete übrigens nur ihre eigenen Briefe; von Goethe hat sie mit rührender Sorgsalt jedes Zettelchen aufbewahrt. Sie gab dadurch den Beweis, wie hoch sie das Recht der Nachwelt achtete, diese Dokumente aus der Lebensgeschichte des großen Dichters zu besitzen. Um dieselbe zu vervollständigen, mußte sich bald eine berufene Hand mit genauerer Ausführung des Bildes der deutschen Laura beschäftigen, die so eugvcrwebt mit Goethe's Leben, weA sie seine edelste Liebe War.

Neueste englische Literatur.

Philipp Baile y. Geboren -18-1K.

Das durch die Erschütterung des bisherigen Glaubens verwirrte Gemüth Macht sich bei den neuesten, englischen Dichtern nach zwei Seiten hin Lnft, aus der einen durch eine mikroskopische Untersuchung der Schattenfeiten des menschli­chen Herzens und der menschlichen Gesellschaft, die mit ihrem Pessimismus und ihrem psychologischen Raffinement sehr stark cm die frühern zahlreichen Pietistischen Secten erinnert, auf der andern durch einen hochfliegenden Idealismus, der die Räthsel des Lebens durch phantastische Visionen zu lösen sucht. Mit dem letztern haben wir es heute zu thun. Wir finden in ihm den Einfluß Shelley's und der deutschen Dichter, der um so anhaltender zu sein scheint, je heftiger sich zu­erst das natürliche Gefühl des englischen Volks dagegen sträubte.

Die Reaction, welche zu Shelley's Zeit nur bei einigen besonders begabten

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