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Großes zu leisten. Mit wahrhaft empörender Kaltblütigkeit specnlirte der Ganner von Vater aus die heranblühcnden Reize seiner Tochter, und meinte,' in drei bis vier Jahren sei dieselbe eine bslllssirrm Zormg , der es an vornehmen Anbetern nicht fehlen könne; dann sei anch sein Glück gemacht. Komisch war deshalb der Eifer, mit welchem er gegen den Beamten des Omnibus die halberwachsene Tochter als sein Minon, Kätzchen, als sein Schooßkind, als sein Wickelkind darstellen wollte, damit er keinen Platz für dieselbe zu bezahlen hätte. Er bewies die außer- ordeutliche Kleinheit dieses kleinen Mädchens mit so unerschöpflicher Suada, daß der Beamte endlich, überwältigt und betäubt, ihm Recht gab. Mit nicht geringerer Schlauheit wußte er später überall das Bezahlen des Trinkgeldes zu umgehen. Er ließ sich die größten Grobheiten aller Art sagen, ja sogar mit Schlägen droheu, ohue anch nur eine Miene zu verziehen, wenn er dadurch nnr einige Sons ersparen konnte. Die zweite Dame der Gesellschaft, eine verblühte Schönheit, mit den Manieren einer ausgelernten Sängerin, nnd der erste Tenorist, ihr Freund, ein frecher Patron mit echt jüdischem Typus, waren wenig merkwürdig, aüßer etwa dadurch, daß später in Philippeville der Tenorist die größten Ohrseigen bekam, die ich je habe appliciren sehen. Ein stämmiger Sergeant der Fremdenlegion, ein ehrlicher Altbayer, hatte mit der einen Hand den sprudelnden Komödianten an die Wand gedrückt uud hieb ihm mit der andern rechts nnd links auf die Backen, daß es laut schallte, ohue daß der Bayer sich die Mühe nahm, anch nur ein Wort zu sprechen, und mit schadenfrohem Grinsen sah der Director dieser Strafprocedur zu, welche an seiuem Heldeutenvr vollzogen wurde. Viele Conlissencabalen nnd Heiserkeiten sah er jetzs dnrch das Schicksal gerächt. Vergebens schrie der Tenor während des Strasacts: „Zn Hilfe!" und „Mörder!". Nnr die Prima-Donna stürzte aus der Schenke heraus, dem Geliebten zu helfen, und krallte sich wie eine kampfgeübte Amazone an den Soldaten an; der riefige Bayer aber schüttelte die neue Gegnerin leicht ab und sagte mit liebenswürdigem Phlegma: „Gebt a Rnh, Franle, oder Ihr schaut a Pratzen", und setzte sie dabei auf die Erde nieder, woraus er seinen Weg ruhig fortsetzte, ohne die Fluth der französischen und italienischen Schimpfwörter, welche das Paar ihm nachschleuderte, zu beachten, wie ein Bär, welcher stolz die zerfetzten Jagdhunde zurückläßt. Vom Nest der Gesellschaft fielen noch zwei Schwestern in die Augen, die ältere noch erträglich hübsch und von einigermaßen anständigem Benehmen, die jüngere ein srenndliches Mädchen von kaum IS Jahren, welche ihre natürliche Heiterkeit und ungezierte Naivetät noch nicht ganz verloren hatte. Es war peinlich, die Kleine in so schlechter Gesellschaft zu sehen, denn sie schien eines bessern Looses nicht unwerth. Unter den Männern war der Baßbuffo, ein alter gutmüthiger Kautz, der zwar viel trank und dann durchaus nicht zweideutige Lieder sang, sich sonst aber bescheiden, gefällig nnd äußerst ergeben zeigte. Er betrachtete sich nach einem Maß Wein, das ich ihm einschenken ließ, als meinen