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Eine Operngesellschaft in Afrika.
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Wir warteten wol eine halbe Stunde, ohne daß der unheimliche Wagen cm die Reise dachte. Mein Gastfreund fing bereits an, ans Arabisch und Fran­zösisch tüchtig durcheinander zu fluchen nnd mit kräftigen Fußtritten gegen die verschlossene Thür des Bureaus zu donnern, siehe, da kam über den menschen­leeren Platz ein seltsamer Trupp auf das Bureau zugeschritten. Es war die ita­lienische Operngcsellschaft, die gestern noch den Belisario so schrecklich verarbeitet hatte; ja, sie war es', auch sie wollte abreisen, nud ich hatte das Vergnügen, ihr Gefährte bis zur See und ihr Gefährte auf dem Dämpfer bis nach Algier und weiß Gott wohin sonst noch zu werden.

Wählend meine Kameraden sich schnell in ein Gespräch mit den jungen Damen einließen, musterte ich die Bande, welche sich übrigens sehr bald um uns hernmdrängte und nichts weniger als steife Zurückhaltung zeigte. Sie be­stand ans drei Männern, vier Damen nnd einigen Kindern verschiedenen Kali­bers. Da war zuerst der Jmpressario., oder wie er sich lieber nennen ließ, monsisur le cliröcitöur, eiu halber Italiener aus Nizza, ein langer, hagerer Gesell mit scharf markirtem, recht confiScirtem Gesicht, in dem seine Nase wie ein Geierschnabel saß. Auf der Reise erzählte er mir mit unerschöpflicher Zun­genfertigkeit, was er schvu Alles gewesen sei, bevor er sich entschlossen, die Be­schwerden und den Geldmangel eines Theaterdircctors zu ertrage». Zuerst Koch, dann Säuger bei einer Bühne, dann Besitzer einer Menagerie und später Nestan- rateur, endlich Unternehmer einer Operngesellschast von Algier, Bona, Oran, Constantine u. s. w. - Der Kerl war gemein, recht kriechend, durch nnd durch ein Gauner und Schuft und hätte gewiß seine Seele nicht allzutheuer verkauft, wenn sich ein Verkäufer zu solch schmnzigem Ding gesunden hätte; aber amüsant, sehr amusant war er doch, er machte übrigens gar kein Hehl aus seiner mora­lischen Gemeinheit, oder vielmehr er konnte sie nicht verbergen, denn er wußte offenbar gar nicht, welch großer Lump er war. Das Gegenstück war seine Gat­tin, seine rechtmäßig durch Priesterhand angetraute Frau; wie er mir gleich in der ersten Viertelstunde unsrer Bekanntschaft als etwas Besonderes erzählte, und dabei unaufgefordert, als wenn ich diese Merkwürdigkeit sonst nicht hätte glau­ben können, aus' einer Menge schmuziger Papierö seinen Transchein hervor­suchte und mir diesen mit großer Devotion präsentirte. Diese majestätische angetraute Gattin hatte den Charakter eines dicken Fischweibcö. Der dun­kelrothe Wein der Provence glänzte ihr von Nase uud Wangen, rothe Schminke hatte die Dame nicht nöthig; sie sang die Anstandsdamen und Heldenmütter, am liebsten repräsentirte sie, wie mir ihr Gemahl erzählte, in Nebenrollen, da ihr di<? starken hänslichen Geschäfte das Einstudircu großer Partien unmöglich machten. Merkwürdiger Weise hatte dieses Ehepaar ein bildhübsches Töchterlein von 11 bis ^2 Jahren, ein reizendes Kind, aber Antonina war ebenso kokett, ja abgefeimt, wle sie hübsch war, und versprach, in wenig Jahren nach dieser Richtung hin

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