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Wochenbericht.
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Präsidenten der französischen Republik gestellt sein sollte, einer argen Beschimpfung gegen die französische Nation gleichgekommen wäre. Man konnte die Errichtung des Kaiscrthums überhaupt, wenn man die Kraft dazu fühlte, als einen oasus belli be­zeichnen, aber wenn man das Kaiscrtbmn zugab, an das Oberhaupt einer mächtigen Nation die Anforderung zu stellen, daß er den Gedanken einer legitimen Nachkommen­schaft ausgebe, das war ein so unerhörtes Factum in den Annalen der Diplomatie, daß man wol mehr als zweifeln mußte. Die. betreffende Erklärung der Regierungen hat auch nicht auf sich warten lassen, und zwar erfolgte sie zuerst iu eiuem nichts weniger als osficiellen Blatte. Es scheint unzweifelhaft, daß die Provocation einer solchen Er­klärung der eigentliche Zweck des genannten Artikels war. Erfolgte der Widerspruch nicht, so mußte sich der ganzen französischen Nation ein solches Gesühl der beleidigten Ehre bemächtigen, daß Louis Napoleon sür seine Absichten freiern Spielraum bekam; erfolgte er aber, so hatte er sich nach der andern Seite hin den Rücken gedeckt, und alle Anzeichen lassen vermuthen, daß wenigstens vorläufig der letztere Weg ihm als der bequemere erscheint, daß er, die Möglichkeit vorausgesetzt, in Bezug aus sein Ver­hältniß zu dem Auslande in die Fußtapscn Louis Philipp's treten möchte. Daß sich überhaupt die Zeit nähert, in welcher er die letzte Hand an sein Werk zu legen ge­denkt, ist nach den öffentlichen Demonstrationen mit den gedruckten Petitionszetteln n.s. w. nicht länger in Abrede zu stellen. Mißlicher würde es sein, einen bestimmten Zeitraum anzugeben. Louis Napoleon hat die allgemeinen Erwartungen darin so oft getäuscht, und es kommen dabei so viel geheime Fäden in Betracht, daß man sich wol hüten Muß, hier den Propheten zu spielen. An der Ueberzeugung aber halten wir fest, daß, wenn es einmal so weit gekommen ist, das Verhängnis; den unternehmenden Mann weiter treiben wird, und daß wir hier immer noch den Punkt finden werden, von welchem aus in die unhaltbaren Zustäude des alten Europa' eine neue Bewegung eintreten wird.

Vorläufig hat der zukünftige Cäsar durch eine auf die Pariser berechnete Schau­stellung seinem großen Vorbild nachgeeifert. Er hat einer Zahl verbannter Orleanisten darunter Thiers und gemäßigter Republikaner den Eingang zu Frankreich wieder geöffnet, und zur Feier dieses Acts der Gnade, werden am 15. August, dem Geburtstag des Kaisers, dessen Feier auch iu Wien mit osflcieller Genehmigung begangen wird, dem schaulustigen PUblicum die Theater ausgeschlossen werden, und man wird ihm unter anderen anmuthigen und dem Zweck entsprechenden Schauspielen die Scene anfsühren, wo Au- gustus dem zu Boden geworfenen Vcrräther Cinna die gnädige Hand hinstreckt nnd ihn mit den Worten aufrichtet: 8070ns smis, Nr. Iluers!

Daß die Provocation des Grafen von Chambord eine Annäherung zwischen den Orleanisten und dem gegenwärtigen Regiment begünstigt, und daß sich Viele darunter finden werden, die sich selbst über den Verkauf der Güter ihres Fürstenhausesaus höher» Gründen" hinwegzusetzen im Stande sind, mag man wol zugeben; aber jeden­falls wäre die Demonstration wirksamer, wenn statt Thiers Changarnicr, statt Michel de Bourgcs Lamoriciöre zurückberufen wären. Daß bei der gegenwärtigen Sachlage ein geschickter, geistvoller Redner und Schriftsteller die bestehende Herrschast nicht um­werfen wird, darüber Hat sich wol Niemand Illusionen gemacht; die Frage ist nur die, ob mau schon so viel Muth hat, um die Gunst der Armee eine freie Concurrciiz ein­treten zu lassen. .DaS scheint doch nicht der Fall zn sein.