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Blick auf Spaniens letzte Vergangenheit und seine gegenwärtige Lage.
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die Macht der althergebrachten Gewohnheit, hauptsächlich durch die fortwährenden Reclamationen der catalonischen Baumwo'llenindustrie gehalten, die bis dahin jeden Versuch einer Herabsetzung des Tarifs zu vereiteln gewußt hatte. Die Befürch­tung, daß Espartero hierin den Wünschen der ihn protegirenden Politik Englands nachgeben würde, war eine Hauptnrsache der wiederholten Empörungen Bar­celona's gegen seine Regierung nnd ein nicht unwichtiges Moment seines Sturzes gewesen. Eine durchgreifende Tarifreform erschien gleichwol.mit jedem Tage unerläßlicher für die Regeneration Spaniens. Die Prohibitivzölle nöthigten die Regierung, eine zahlreiche und kostspielige Grenz- und Küstenbewachung zu halten, die trotz aller Anstrengung dem ausgedehntesten Schmuggelhandel nicht steuern konnte. Erhöhten das Risiko und die Kosten des Letzteren nun auch den Preis der heimlich eingeführten Waaren zum Vortheil der in­ländischen Fabrikanten, so gingen doch die Staatskassen bei dieser Art von Zvllaufschlag leer aus. Somit vermehrte der bestehende Tarif, außer daß er schwer auf dem Nationalwohlstand lastete, die Ausgaben des Staates um ein Be­trächtliches und verminderte um noch viel mehr das öffentliche Einkommen. Die Verbreitung der Freihaudelsideen durch ganz Europa, welche seit der Aufhebung der Kornzölle von England ausging, machte sich anch in Spanien fühlbar. Das spanische Ministerium beschloß eine Zollcrmäßigung, die, obwol sie noch immer das Princip starker Schutzzölle für alle inländischen Fabrikate aufrecht erhielt, doch im Gegensatze zu dem bisher geltenden System als ein höchst wichtiger Fortschritt betrachtet werden muß. Die catalonischen Fabrikanten er­hoben auch sofort die lärmendste Opposition dagegen. Die Abgeordneten dieser Provinz bestürmten das Ministerium privatim nnd im Congreß um Zurücknahme der die Baumwollenindustrie betreffenden Bestimmungen nnd die bedrohten Fabrik­inhaber gingen so weit, der Regierung eine sehr bedeutende Summe jährlich mau gab sie sehr übertriebener Weise aus 3 Millionen Piaster an zu biete», falls sie die bestehenden Zollsätze aufrecht erhielte. Narvaez wies diesen Vorschlag mit der trockenen Antwort zurück, er hoffe durch die Herabsetzung des Zolls eine grö­ßere Zunahme der Staatseinkünfte zu erzielen. Nach heftigen Debatten gingen die ministeriellen Vorlagen durch beide Häuser der Cortes nnd erhielten gleich nach Vertagung derselben die königliche Sanction. Vergebens versuchten die catalonischen Fabrikanten, namentlich die von Barcelona, jetzt das System der Einschüchterung, welches sie der schwankenden Regierung Eöparteros gegenüber mit Erfolg durchgeführt hatten, uud entließen auf die Nachricht der Vollziehuug des-Zollgesetzes große Schaaren ihrer Arbeiter. An dem Tage, wo der neue Tarif in Barcelona verkündigt wnrde, hielt Cvncha auf der Rambla Heerschau über 10,000 Man»; diese Demonstration genügte, um die erbitterten Fabrikherren, so wie ihre aufgeregten Arbeitermassen zur Besinnung zu bringen.

Narvaez stand jetzt auf der Hohe seiner Macht. Jeder Widerstand war