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Charakterbilder aus der deutschen Restaurationsliteratur : Ludwig Achim von Arnim, geb. 1781, gest. 1831.
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man nur Jean Paul und Armin vergleichen. Auch Jean Paul geht, wie alle Humoristen, darauf aus, durch das anscheinend Komische zu rühren, durch das .anschei­nend Rührende zu belustigen, das anscheinend Bedeutende in seiner Kleinlichkeit zn analysiren, sür das anscheinend Unbedeutende Interesse zu erregen u. s. w. Aber wohl gemerkt, er weiß immer sehr wohl, und er stellt es auch seinen Lesern immer sehr deutlich heraus, daß hier nur von einer anscheinenden Vermischung der Gegensätzedie Nede ist. Die Mittel, die er zur Rührung anwendet, sind nur scheinbar, nur einer trivialen Auffassung gegenüber komisch, in der That aber verdienen sie wirklich die Theil­nahme, die sie erregen sollen,'und'wenn sich der Dichter zuweilen irrt, so liegt das wenigstens nicht in seiner Intention. Für ihn besteht ein sehr bestimmter Unterschied zwischen gnt und böse, schön und häßlich, wahr und nnwahr. Auch wo er zu spielen und zn tändeln seint, ist es ihm um die Sache selbst Ernst, und jeder Leser muß es herausfühlen, daß es ihm Ernst ist. Ganz anders bei der Richtung, als deren Vertreter wir Arnim charakterisieren. Wenn anch in seinem Geist ein sehr bestimmter Unterschied bestehen mag, so zeigt er ihn doch nicht; er überläßt es vielmehr jedem Einzelnen, für das Labyrinth seiner Gedanken und Empfindungen den Leitfaden selber herauszufinden. Dargestellt ist nicht der ge­ringste Unterschied. Der bare Unsinn tritt als gleichberechtigt neben die Vernunft, der Aberglaube neben die Aufklärung, der Schein neben das Wesen, die Lüge, neben das wahre.Gefühl, nnd, wenn wir trotz dem sehr häufig einem starken Gefühl, einer lebhaften und klaren Vorstellung und.einem tiefen Gedanken be­gegnen, so dient das nur dazu, uns noch mehr zu verwirren, dcnu es schließt die Möglichkeit einer naiven, unbefangenen Tändelei aus. So ist z. B. die An­wendung der übersinnlichen, unterirdischen Welt, des Spuks in der Poesie, wie in der Knnst überhaupt, doch nur nnter zwei Umständen zu erklären: entweder will man Schauder erregen, oder durch die übermüthige Anwendung grotesker Formen eine ausgelassene Lustigkeit. Bei Arnim weiß man aber nie, welches von'diesen-beiden er bezweckt. Er erregt keinen Schauder, denn er hebt die Gcspensterfurcht beständig durch bnrleöke, offenbar einem komischen Zweck dienende Einfälle auf; aber er ruft auch keine Lustigkeit hervor, denn er nimmt zugleich die Sache ernst. Nnn kann zwar zuweilen der komische Eindruck dadurch »och verstärkt werden, daß man eine ehrbare Miene aufzieht, aber dann muß man wenigstens nachträglich merken, daß diese Gravität nur eine scheinbare ist. Das merkt man bei Arnim nicht, nnd darnm wird man fortwährend befangen nnd bleibt in einem unangenehmen Zweifel. Beispiele dazu würden sich auf'jeder Seite finden; wir heben nnr einige heraus. Der Gegenstand seines NomausDie Kronenwächter" ist eine geheime Verbindung zn den Zeiten der Reformation, um die Hohcnstanfen wieder auf deu.Thrvu zn sejzen. Zu diesem Zweck geschieht eigentlich nichts Andere's, als daß das Geschlecht der HoheustaUfen im Verborgenen beständig fortgepflanzt wird. Da das Jahrhunderte lang getrieben wird, so mnß