Beitrag 
Neueste englische Literatur : Thomas Carlyle, geb. 1796.
Seite
228
Einzelbild herunterladen
 

« / ' . V ^ '

228

und sogar nothwendigen Sitz auf dieser Erde. Ist nicht Arbeit das Erbthcil des Menschen? Welche Arbeit aber, wenn sie da ist, dünkt nns freudig und nicht bitter? Ist doch Arbeit, An­strengung, gerade eine Unterbrechung jener bequemen Gemächlichkeit, welche der Mcusch thörich­ter Weise sür das Maß seines Glückes hält; und dennoch wäre ohue Arbeit keine Gemächlich­keit, keine Erholung gar denkbar. Deshalb eben muß Uebel, das was wir Uebel uennen, da sein so lange der Mensch selbst da ist. Uebel, im weitesten Sinne ist eben jenes dnnkle, noch ungeordnete Element, ans welchem des Menschen freier Wille ein Gebäude der Ordnung und des Gnteu zu schaffe» hat. Immer muß Noth und Leiden uns znr Arbeit drängen, uud nur in der freien Aufbietung und Anstrengung unserer Kräfte ist Heil irgend einer Art sür uns denkbar.

Weun nun aber der Meusch zu allen Zeiten genug zu tragen hatte, so war ihm dagegen in den meisten Culturzuständcn eine innere Kraft verliehen, welche ihm dem Drnck der äußern Verhältnisse widerstehen half. Hindernisse genug nmgabcn ihn; aber es fehlte auch nicht an GlaubeuSkraft. Durch den Glauben kaun der Mensch Berge versetzen': so lange der Glaube in ihm lebendig war, mochten anch seine Glieder ermatten nnter harter Arbeit, und die schwere Last seinen Rücken wnnd reiben, sein.Herz in ihm war friedlich und entschlossen. In der dichtesten Finsterniß brannte für ihn ein Licht, das ihn führte. Wenn er mühsam strebte nnd litt, so fühlte er, daß es so seiu müsse, uud wär sich dcsscu bewußt, wofür er strebte und litt. Der Glanbc verlieh ihm eine innere Bereitwilligkeit, eine Welt von Stärke, um damit einer Welt von Schwierigkeit entgegen zn treten. Das eigentlich Jammervolle nnsrer Zeit ist eben dieses: daß die Schwierigkeit geblieben nnd die Stärke nnS verloren gegangen ist; daß der Schmerz nicht in freier Anstrengung aufgehen kann; daß die Arbeit da ist uud die Willigkeit uns fehlt. Der Glaube stärket uns, erleuchtet uns, zn wirken und zu tragen, und so ist das Leben selbst tausendmal freudig hingegeben worden. Aber das ist die Summe menschlichen Elends, daß er sich unter den Dschagarnaträdern zermalmt fühlt, und dabei weiß, daß Dscha- garnat keine Gottheit, sondern ein todtes, mechanisches Götzenbild ist!---

Staotstheoricn! dergleichen hat es stets gegeben und wird eS immer geben; in Zeiten des Verfalls nämlich. Wir wollen sie anerkennen für was sie sind, als VerfahruugSweisen der Natnr, die nichts umsonst thut; als Stufen in ihrem großen Entwicklungsgänge. Inzwischen aber, welche Theorie ist so sicher wie diese, daß alle Theorien, wie ernsthaft und mühsam sie auch aufgebaut sein mögen, nnvollkommen, zweifelhaft uud sogar falsch sind, und ihrer Natur uach nothwendig sein müssen. Wisse, daß dieses Weltall wirklich das ist, wofür eS sich ausgiebt, ein Unendliches nämlich. Versuche nicht dasselbe zn verschlingen, um deine logische VerdaunngSkrast zu erproben; sei vielmehr dankbar dafür, wenn es dir nnr gelingt, hie nnd da einen stützenden Pfeiler in daö wüste ChaoS eiuzureuncn, nnd so zn verhindern, daß es dich nicht verschlinge. Daß ein ncncs, jüngeres Geschlecht sein skeptisches Credo, das in einem blos negativenWas soll ich glauben?" bestand, ausgetauscht hat sür den sentimentalen Glau­ben an das Evangelium Jean Jacqnes Nousseaus, auch das ist ein Fortschritt in der Sache und bedeutet mancherlei.

Selig auch ist die Hoffnung; und immer, vom Anbeginne der Zeiten her, ist irgend ein tausendjähriges Reich prophezeiet worden: ein Reich der Heiligkeit; aber (nnd das ist aller­dings bemerkenswert!)) niemals noch bis zu dieser neuen Epoche war die Rede von einem tausendjährigen Reich, wo jeder sich'ö leicht macht uud der Himmel reichlichen Segen dazu schenkt. Auf solch ein prophezeites Schlaraffenland der Glückseligkeit,, allgemeiner Menschen­freundlichkeit, und wo das Laster nicht länger häßlich sein soll, vertrauet nicht, meine Freunde! Der Meusch ist nicht was man ein glückliches Thier nennt; sein Verlangen nach süßer Kost sein nimmer zu sättigendes Gemüth ist so groß. Wie soll der arme Mensch in dieser wilden Welt, die so unendlich, ungewiß drohend auf thu einstürmt, auch nnr Dasei» und festen Haltpunkt, geschweige denn Glückseligkeit finden, es wäre denn, daß er sich männlich umgürte und bereit halte zu unermüdlichem Streben nnd Aushalten? Wehe dann, wenn in seinem Herzen kein frommer Glaube wohnt; Penn das Wort Pflicht seine Bedeutung für ihn verloren hat! Denn was jene Sentimentalität (der Brüderlichkeit, allgemeinen Menschen­freundlichkeit zc.) anbelangt, die bei pathetischen Veranlassungen und Romansituationeu so gut