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Noch fehlt uns ein Geschichtswerk, welches sich zur Ausgabe macht, aus den statistischen Angaben der Archive und den Berichten der Loca'l-Chroniken die ganze ungeheure Größe des Ruins auseinander zu setzen, und darzustellen, wie langsam und wie uuvollständig bis aus die ueueste Zeit in nationalökonomischer Hinsicht die Heilung vor sich gegangen ist. Es wäre ein großes uud dankens- werthes Unternehmen, diese Seite unsrer Geschichte ausführlich zu beleuchten, sehr überraschende Resultate würden sich daraus ergeben, und ein solches Werk könnte viel dazu beitragen, uns Deutschen ein Verständniß unsrer gegenwärtigen Lage zu geben. Ein solches Buch würde viel Finsteres und Trauriges enthalten, aber den Deutschen auch die Gegenwart tröstlicher, und die Znknnft hoffnungsreicher machen.
Sehr viel Material dafür ist in einzelnen Specialabhandlnngen zerstreuet, noch weit mehr liegt in Stadt- und Landesarchiven, in Localchroniken oder ungedruckten Familiennachrichten unbenutzt. Als einen kleinen Beleg für das, was hier über die furchtbaren Wirkungen des 30jährigen Krieges gesagt worden ist, entnehmen wir einige statistische Notizen aus dem schon früher in den Greuzboten angezeigten 'höchst respectabeln Buch: „Denkwürdigkeiten aus Frankens und Thüringens Geschichte und Statistik. Hcransg. v. G. Brückner, Hildburghausen -I8S2," ,und knüpfen daran die betreffenden Folgerungen.
Das jetzige Herzogthnm Meiningen, zum größten Theil aus früheren Besitzungen der Grasen von Henneberg entstanden, hatte bis zur Schlacht bei Nördlingen 1634 verhältnißmäßig wenig von den Schrecken des Krieges zu leiden gehabt, obgleich nicht unbedeutende Verluste von Menschen und an Viehstand auch bis zu diesem Jahre stattgefunden haben mögen. Dagegen litt es um so mehr in den letzten 14 Jahren des Krieges, wo die großen Heere sich in Banden auflösten, und auch die abgelegeneren Gegenden ausgeraubt werden mußten, weil an den großen Heerstraßen uud auf den früheren Schauplätzen des Krieges bereits zu viel verwüstet, und der Unterhalt der Kriegsbnnden nicht mehr zu beschaffen war. Die damaligen Verluste Meiningens, und die Art und Weise, wie dieselben in den 200 Jahren bis zur Gegenwart geheilt worden sind, sind ziemlich gut geeignet, im Kleinen ein Bild von dem zu geben, was fast im ganzen übrigen Deutschland, den Südwesten, den gebirgigen Südeu und einige Striche im Norden ausgenommen, ruinirt worden ist. Denn die Gegend ist nicht ausnahmsweise mehr heimgesucht worden, als die meisten anderen, und die Culturverhältnisse derselben kamen dem mittlern Durchschnitte der deutschen Cultur zur Zeit des Krieges wie noch in der Gegenwart ziemlich nahe. Die Landschaft ist im Ganzen nicht reich, das gebirgige Terrain ohne große Steinkohlenlager und ohne ausgezeichneten Reichthum an Bergwerksproducteu, begünstigt nicht eine großartige industrielle Entwickelung, und das Land ist bis auf die neuere Zeit auf landwirthschaftliche Productionen und die kleine Gebirgsindustrie, welche seit alter
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