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genießen weiß. Auch in diesen Stücken, weniger freilich in dem ersten, welches durch polemische und allegorische Anspielungen verkümmert wird, ist viel echte Poesie, namentlich in der Farbe nnd Stimmung. Es ist selten einem Dichter gelungen, das Gefühl einer warmen Sommernacht oder eines bnntbewegten Tages so lebendig in seinen Lesern rege zu machen, als Eichcndorff. Er verdient darin namentlich einen großen Vorzug vor Tieck, Brentano und der übrigen romantischen Schule, mit der er in Beziehung auf die Tendenz zwar Hand in Hand geht, — ein dramatisches Spiel: Krieg den Philistern! 1825, ist ganz in der Tieck- schen Manier, — die er aber an Unmittelbarkeit nnd Unbefangenheit der Anschauungen und Empfindungen bei weitem übertrifft. Bei den eigentlichen Romantikern ist die specifisch poetische Welt eine gemachte, sie dient nur zur Folie gegen das verhaßte Wesen der aufgeklärten Philister. Bei Eichcndorff dagegen hat sie etwas Ursprüngliches, das durch die polemische Tendenz nicht verwischt wird. Er würde an seinen Stoffen nnd seinen Stimmungen Freude haben, auch weun sich die Philister nicht darüber ärgerten.
Einen Mangel aber theilt er mit den Romantikern: er kann nicht zeichnen, er kann keine bestimmten Gestalten abgrenzen; seine Romane sind ein unausgesetztes Stillleben, in dem die Bewegung nnr eine scheinbare ist. Dies tritt bei ihm um so deutlicher hervor, da er es wenigstens im Ganzen verschmäht, durch Contraste zn wirken. Wir leben bei ihm in einem beständigen Sonntag und beständig bei gutem Wetter, in beständiger Poesie. Aus die Länge wirkt das ermüdend, und wir sehnen uns lebhaft nach einer Zeit wirklicher, zweckmäßiger Beschäftigung. Das Spiel wie der Feiertag sind nur zur Sammlung da, sie haben keinen Sinn, wenn sie nicht eine geordnete, regelmäßige Thätigkeit unterbrechen. Wir glauben nicht zu irreu, wenn wir diese sixirte sonntägliche Stimmung wenigstens zum Theil daraus herleiten, daß Eichcndorff geborener Katholik ist, nicht reflectirter Katholik, wie seine romantischen Glaubensgenossen. Die katholische Auffassung macht den Feiertag znm Hauptzweck und Mittelpunkt des Lebens. Die Arbeit ist ihr eiue Last, deren sie sich gern entledigt. Darum ist unstreitig in katholischen Ländern das Leben, wo es nicht gerade durch übertriebenen Fanatismus verfiustert wird, im Ganzen von einer größern Heiterkeit und MannichfMgkeit; aber es entwickelt auch weniger Tiefe des Gemüths. Selten wird ein protestantischer Dichter einen so heitern Eindruck machen, als Eichcndorff, aber der Inhalt, den man von ihm davon trägt, ist doch ein dürftiger im Vergleich zu den protestantischen Dichtern desselben Ranges, z. B. Arnim. Ja wir möchten behaupten, daß selbst das intensive, das ganze Herz durchdringende Gefühl des Feiertags eigentlich nur im Protestantismus möglich ist, wo es als Sammluug nach harter Arbeit eintritt. Eiu solches Gefühl erregt z. B. das bekannte kleine Uhland'sche Gedicht: „Schäfers Sonntagslied": es ist nnr sehr wenig ausgeführt, allein so viel empfindet man doch heraus, daß die Stille nnd
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