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Marie Antoinette, von Paul Delaroche.
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Marie Antoinette, von Paul Delaroche.

Das neueste Werk dieses Meisters/ der unter den fünf berühmtesten Malern von Frankreich' eine der hervorragendsten Stellen einnimmt, macht seine Rundreise durch Deutschland. Die Leipziger haben gegenwärtig Gelegenheit, es in der Kunstausstellung von del Vecchio zu sehen. Es wäre in mancher Beziehung wünschenswert!), daß diese Gelegenheit sich öfter darböte, denn wenn wir auch überzeugt sind, daß eine Nachahmung der französischen Malerei nns auf Irrwege führen würde, weil sich in dieser Kunst die Verschiedenheit der Nationalitäten wo möglich noch schärfer ansspricht, als in der Musik, so würde doch eine öftere Anschauung der französischen Musterwerke unsern künstlerischen Horizont erweitern, und das könnte gerade in dieser Zeit, wo ein großer Theil unserer Künstler sich mehr und mehr znr Manier hinneigt, eine sehr heilsame Wirkung ausüben.

Das frühere Werk'von Paul Delaroche, welches in Deutschland bekannt wurde, Napoleon nach seiner Abdankung, gegenwärtig in der Schletter'schen Gemäldegalerie in Leipzig, hat einen sehr entschiedenen Erfolg gehabt; ja wir stehen nicht an, zu behaupten, daß dieser Erfolg weit über das Verdienst des Gemäldes hinausging. Denn schon in Beziehung auf das Technische der Malerei ließen sich viele Ausstellungen machen, die Farben waren hart neben einander gestellt, nicht vermittelt und idealisirt, äber auch- der ganze Vorwurf des Gemäldes hatte sein Bedenkliches, denn es war Alles in Allem genommen ein geistreich ausgeführtes Portrait, iu welchem aber auf der einen Seite die geistigen Erregungen eiuer bestimmten Situation sich so lebhaft ausprägen sollten, daß sie den Anspruch darauf machten, ohne weitere Erörterung verständlich zu sein, während der Mangel des äußerlich Historischen durch sehr materielle Mittel an dem Körper des Helden selbst ausgeführt wurde: Beschmuzte Stiefeln, schlaffe, müde Haltung der Glie­der u. s. w. Man findet es nicht selten, und namentlich in der neuern französischen Romantik häufig, daß der entschiedenste Materialismus mit einem eben so überschwäng- lichen Spiritualismus Hand in Hand geht. Dieser Napoleon hat nicht gerade heilsam auf die Kunst eingewirkt. Bei manchen der neuereu deutscheu Gemälde sieht es fast so aus, als ob die beschmnzten Stiefeln von Paul Delaroche das Ideal ge­wesen, das dem Künstler vorgeschwebt.

Das neue Gemälde kann seine Verwandtschaft mit dem Napoleon nicht verläugnen. Auch hier haben wir im Wesentlichen ein historisches Portrait, auf eine bestimmte Situation berechnet, und von Gruppen umgeben, die ihrer ganzen Haltung und Färbung nach eigentlich nnr seine Staffage ausdrücken. Diesen Zweck hat der Künstler durch, ein originelles Mittel verfolgt, welches wir hier näher erörtern müssen.