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Die constitutionelle Partei in Preußen.
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folg Witze gemacht habe». Darum muffen wir deu Gedanken einer Allianz mit der Demokratie als ganz unhaltbar bei Seite setzen.

Dagegen hat sich eine andere parlamentarische Partei gebildet, die, wenn sie kräftig unterstützt wird, für unsere Zustände eine nicht geringere Bedeutnng haben kann, als unsere eigene. Wir meinen damit die eigentliche Centrums­partei, die Bethmann-Hollwegianer. Was man bis dahin Centrum uauute, war uicht eine Partei, sondern eine Localität, der leere Raum zwischen der Rechten und Linken, auf welchem die im Uebrigcn braven und verständigen Männer Platz nahmen, die zu liberal waren, nm nicht vor den Theorien Ger- lach's und Stahl's zurückzuschrecken, und die zu wenig an ihre eigenen Ideen glaubten, um sie der executiveu Gewalt gegenüber zn vertreten. Die Beth­mann-Hollwegianer dagegen sind eine bestimmte, geschlossene Partei, die freilich bisher nnr ans einem kleinen Kreise ehrenwerther, geistvoller und im Staats- leben bewanderter Männer besteht, die aber voraussichtlich, bei der Abneigung des Pnblicnmö gegen die Extreme, bei den neuen Wahlen einen reichen Spiel­raum sür ihre Thätigkeit finden wird. Es scheint uus nun sehr zweckmäßig, schon jetzt in Aussicht auf die küuftigeu Wahlen darau zu erinnern, daß die Ver­stärkung dieser Partei ebenso in unsrem Interesse liegen mnß, als die unsrer eigenen.

Ein liberales Ministerium scheint uus wenigstens für den Laus der nächsten Jahre fast eine eben solche Unmöglichkeit für Preußen, als die Herstellung der deutschen Einheit. Ein Ministerium Bethmaun-Hollweg dagegen ist nicht in dem Grad eine Unmöglichkeit. Nun wissen wir ^ zwar sehr wohl, daß die Krone sich durch den Ausgang parlamentarischer Debatten nicht wird bestimmen lassen, ihre Rathgeber zu ändern; aber es ist doch etwas wesentlich Verschiedenes, ob ein Kreis von 10 20 Männern als Ministerium der Zukunft gegen die bestehende Regierung Front macht, oder ob dieser Kreis an der Spitze einer zahlreichen Schaar angesehener Männer auftritt. Natürlich kann man anch hier keine mathematische Sicherheit ausrechnen, nicht einmal eine Wahrscheinlichkeits­formel, aber es ist doch damit eine Möglichkeit gegeben, nnd ohne diese ist nicht einzusehen, worauf wir eigentlich hinarbeiten sollen.

Vor nllen Dingen aber müssen wir darauf denken, uns selbst zn rüsten, damit unser Einfluß mit einigem Gewicht in die Wagschale fällt. Jeder Ein­zelne, so unbedeutend auch anscheinend seine Kräfte sein mögen, kann hier das Seinige thun, und er darf vor keinem Opfer zurückschenen, denn er erfüllt da­mit eine Pflicht gegen das Vaterland.

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