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um sich und ihren unglücklichen Bruder, der durch Erdnldung einer langen ungerechten Kerkerhaft halb blödsinnig geworden ist, zu ernähren, einen kleinen Kramladen eröffnen muß. Die Schmerzen dieses für ein aristokratisches Herz so schweren Entschlusses sind mit einer wunderbaren Anschaulichkeit nud Wahrheit dargestellt. Das alte Hans in seinem Verfall wird dnrch eine lebendige, an die Arnim'sche Manier erinnernde Zeichnung individualifirt und belebt, und gewinnt durch eiu junges, unbefangenes Mädchen, welches der alten Tante Heph^iba an die Hand gehen muß, auch einen Schimmer von Poesie. Diesen gebrochenen und leidenden Charakteren gegenüber zeichnet sich der harte, gewissenlose, egoistische Nichter Pyncheon, der wahre Erbe seines Stammes, in scharfen nnd sicheren Umrissen ab. Einzelne Scenen, z. B. der plötzliche Tod des Nichters am Schlagflnß und die Erschütterung, die derselbe auf das Gemüth der bisher von ihm verfolgten Familie ausübt, wären des größten Dichters würdig. Bei all diesen Vorzügen macht der Noman im Ganzeil doch keine gnte Wirkung auf uns. Er hinterläßt eine trübe Stimmung, die uicht sowol von den traurigen Ereignissen herrührt, als von der Unklarheit über die Ideale des Dichters. Es ist ein solches Raffinement in der Zerlegung der Motive und der verschiedenen Bestimmungen, aus denen ein Charakter hervorgeht, daß darnnter die Realität der Charaktere leidet. Es fehlt jene Unbefangenheit und Sicherheit der Anschauung, die für eine' wirkliche Gestaltungskraft unerläßlich ist. Das Leben verliert sich in Erscheinungen und Visionen, bei denen nicht deutlich wird, was dem Traume, was dem Wachen angehört. Der Dichter hat den Instinct des Guten, aber nicht den Glauben daran, nud sein Hnmor hilft uns darüber nicht hinweg, denn auch er hat etwas Befangenes; aber es ist viel Geist in diesen mystischen Irrfahrten aufgewendet, und nnsre Phantasie und unser Gemüth wird beschäftigt, wenn auch uicht befriedigt.
In den kleinen Erzählungen tritt gewöhnlich die Tendenz schärfer hervor. Der-Dichter stellt sich die wunderbarsten, subtilsten Probleme, die in ihrer Subti- lität an Matnrin und Balzac erinnern, aber zugleich -hat er ein sehr scharfes Auge für auffallende Erscheinungen der sinnlichen Welt, und so tritt seine Neigung, ' zn verallgemeinern nnd zu reflectireu, mit der Lebhaftigkeit seiner sinnlichen Eindrücke in ein sonderbares Verhältniß. Er versteht es, den wunderlichsten Details, die ihm aufstvßeu, einen geheimen, tiefern Sinn unterzulegen, der jedem Andern entgehen würde, und der allerdings zuweilen etwas gewaltsam herbeigezogen wird. Anch bei rein phantastischen Erfindungen, die zuweilen einen ganz tollen Uebermuth verrathen, muß immer zuletzt eiuc allgemeine sehr ernsthafte Moral hervortreten. Bei den einfachsten Kindermärchen, wenn wir uns unbefangen an dem Spiel der Phantasie ergötzen, verwandelt sich plötzlich die Phusioguvmie dieser träumerischen Elfenwelt, und ein ernsthaftes, altkluges, trauriges Auge schaut uns vielsagend an, nud zeigt unö irgend einen verborgenen Fehler unsrer Natur, irgend