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Aus der Pariser Gesellschaft.
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nach seinem Befinden zu fragen, übernimmt es eine frische weibliche Stimme, ihm das verlangte Bulletin hinauszurnfcn. Auf der Bühne mußte das natürlich eine- andere Weuduug nehmen nud mit einer Heirath vor dem Maire und dem prüden Director der hyperclassischen Bühne endigen, was diesem mit den wahrsten Farben geschilderten Genrebildchen etwas von seinem Reize nimmt. Auch Zonliomms Mis, der die Eifersucht der beiden Verliebten wecken muß,- nm ihre Gefühle zum Sprechen zu bringen, erlaubt sich Dinge, die bei einem so alten Manne, selbst in wohlgemeinter Absicht uud zum Scheine blos, widerlich werden. In der Novelle aber ist derlei sorgsam vermieden worden. Die Hauptsache am Ende bleibt auch hier wie bei den meiste» französischen Lustspielen, das gute abgerun­dete Spiel und der geistreiche Dialog, ve l'vsxi'tt, l'Wprtt und abermals ssxrit, das ist Alles, was die Franzosen verlangen das wirkliche Kunstinter­esse ist Nebensache. Im Gymnase werden alte Stücke gegeben, im Vcmdeville schwindsüchtelt die v-uii« aux Vam6lias schon zum achtzigsten Male, uud das Theater des Palais royal, das sonst unser Generalintendant der uudefinitivbareu aber unfehlbaren Lustigkeit gewesen, lebt auch von Stegreifen. Doch verspricht es, sich durch eine-für nächste Woche angesagte Parodie desewigen Jnden" wieder zu rehabilitireu. Und so hätte ich denn das Werk der Enttäuschung unsrer mit einem Jahre aufs Höchste gespannten Erwartung berührt. Der arme ewige Jude, wie sie ihm arg mitgespielt haben! Diese schöne pvesiereiche Sage, die uns gar uicht umzubriugeu schien, Scribe und St. George haben das Unmögliche geleistet. Der ewige Jude hat in dem Werke des Dichters vom Glas Wasser Nichts weiter zu bedeuten, als die erste beste Fee im ersten besten Spcctakelstücke, und er hätte auch eben so gut durch die Beschützerin von Lumpacivagabundus ersetzt werden können. Ahasverns ist in allen fünf Acten der Veu8 ex maedma, wel­cher der Maschine zu Hilfe kommt, und wenn er vom Dämon mit dem Feuer­schwerte durch Länder und Welttheile verfolgt wird wie ein politischer Flüchtling, so geschieht dies blos, um einen Vorwand znr nöthigen Abwechselung in die Decorationen zu bringen. Er darf sich überall nur eine Viertelstunde aufhalten, was ihn nicht verhindert, Romanzen, Balladen, Trios, Duette und Monologe zu singen. Er rettet die Tochter des Kaisers Balduin von Byzanz; dies ge­schieht im ersten Acte uud in Antwerpen. Im zweiten Acte ist sie verliebt in ihren vermeintlichen Brnder, uud wird von den Mördern ihrer Mittler nach Thessalonich (aus der Bulgarei) als Sclavin gebracht. Ahasvcrus thut im zweiten Acte wie im ersten, er rettet Irenen. Er thnt mehr noch, er liebt diese Irene (welche vielleicht eben so von ihm abstammt, als deren Pflegeschwester, das Schiffer­mädchen Theodora) so sehr, daß er für sie ins Fener geht. Obgleich das für einen ewigen Juden nicht weiter schwer sein kann, verschafft Ahasvcrus Irenen dadurch Anerkennung ihrer Rechte auf den Kaiserthrou. Nicephorus, der Louis Bonaparte von damals, war nicht vorbereitet genug für seinen zweiten December,

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