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Der Saal für nordische Alterthümer im neuen Museum zu Berlin.
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schwebt vor ihm her und bläst die letzten Wintcrwolken fort. Neben ihm bauen auf der mittlern Höhe die Zwerge Freir's Wolkenschiff Skidbladnir, worauf die Götter sahreu. Das Schiff war groß genug, um die ganze Götterwelt in sich aufzunehmen, und wieder so klein, daß Froh es bei vorkommender Gelegenheit in der Tasche mit sich tragen konnte. In dieser unscheinbaren und doch tief, wenn auch unklar gedachten, von aller Sinnlichkeit abftrahirendeu Ausfassung des Götterdaseins zeigte steh früh die Anlage der Deutschen zur phantastisch- metaphysischen Speculation. Aus der rechten Seite ist Freia, die Liebe, dar­gestellt, wie sie auf ihrem, von Katzen gezogenen Wagen sehnsüchtig hinter dem Schatten ihres Gatten herzieht. Ihre Thränen bilden das Morgenroth. Wie unsre Urväter die Liebe als reines, keusches Gesühl in ihrer Göttin sich vorstellten, so zugleich mit echt deutscher Empfindsamkeit als Liebeskrankheit. Freia erhält nach der Mythe von Wodan die Hälfte der Todten, denn auch die Liebe todtet.

Vierte Nische, gemalt von Richter. Auf schuaubenden Rossen stürmen die Walkyren, Jungfrauen von wnuderbar wilder Schönheit, über der brausenden Schlacht einher. Sie pressen die Herzen Gefallener in den Händen, und bespren­gen die Helden, welche fallen sollen, mit Blut. Oben tragen und geleiten vier andere Schlachtjungftauen die Todten nach Walhalla, eine geht mit der Harfe voran und singt sie zur Seligkeit hinüber. Auf der rechten Seite des Fensters schließt eine Darstellung des Kriegsgottes Tyrr den malerischen Schmuck der ersten Laugseite.

Die zweite schmälere Seite enthält rechts und links von der in ihrer Mitte befindlichen Thür und über derselben drei Abtheilungen, welche bei meiner letzten Anwesenheit im Saale von Richter's Hand eben die Umrisse zu solgeudeu Darstellungen aufnahmen. Links Walhalla mit dem Throne Wodan's, zu dessen Seiten die Walkyren und die Göttertafcl mit dem nie endenden gebratenen Eber. Ueber der Thür: Allvadur. Rechts der Uebergang zur Hehl (Hölle): Baldur mit der Nanna uud hinter ihnen menschliche Schatten über die Bialabrücke in die Hölle einziehend; am Eingange Mntguddur mit deu Hölleumädchen. Dann folgen in der Reihe der Bilder die vier Nischen der zweiten Laugseite.

Fünfte Nische, gemalt von Müller: die Hölle selbst. Hieher kommen Alle, welche nicht auf dem Schlachtfelde oder doch uuberühmt starben. Daher ist auch Baldnr schon eingezogen, nachdem ihn der Pfeil des heimtückischen Hodr unrühmlich getödtet. Hehl, eine weibliche Gestalt mit snrchtbarem Antlitz, trägt "uf dem Haupt eine Krone von Eisen, in der Hand einen Knochen als Scepter. Ihr zu Füßen liegt der Höllenhnnd. In der Mitte schwebt über den Höllen- gründen der Drache Nidhöggr, Aas in den Krallen haltend, denn er nährt sich von den Seelen der Verstorbenen, welche jene Urzeit sich nicht von allem Stoff entblößt zu deute» vermochte. Rechts brütet Loke, den Dreizack in der Hand,