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Wochenbericht.
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zu können; dafür soll man aber auch jetzt beabsichtigen, ihn der Führerschaft zu ent­heben doch können wir die Wahrheit des letztem Gerüchtes nicht verbürgen.

Für Lord I. Russell's politische Laufbahn ist der Vorfall jedenfalls eine entscheidende Krisis. Sein Einfluß aus seine Partei ist seit langer Zeit in allmählichem Abnehmen. Er verdankte denselben hauptsächlich seiner tiefen Kenntniß parlamentarischer Taktik, seinem vollendeten Geschick im parlamentarischen Kampfe, dem seinen Gefühl, mit dem er die Stimmung des Hauses zu würdigen und den günstigsten Zeitpunkt zum eingreifenden Handeln zu wählen wußte. Aber sein letzter Feldzng hat seinem Ruhm als parlamen­tarischer Taktiker einen starken Stoß gegeben. Nun erheben sich immer lauter die Klagen, daß während die liberalen Principien überall im Lande sich so vorwiegender Geltung erfreuen, daß selbst ihre alten Gegner, die Tones, ihnen allmählich einen Platz in ihrem Glaubensbekenntnis) einräumen müssen, die sie im Parlamente vertretende Partei täglich an Einfluß verliere, weil ihr Führer dem öffentlichen Wohle weder von seinem persönlichen Gewicht, noch von seinen Meinungen das Geringste opfern wolle. Zuerst Habe er, so lange er im Amte gewesen, seiner Partei durch seine unüberwindliche Abnei­gung, Schwachgcwordencs uud Abgenutztes zu entfernen, geschadet. Dann sei er in eigen­sinnigem Groll aus dem Amte geschieden, wahrscheinlich weil er innerlich gefühlt habe, daß er außer Staude sei, früher allzurasch eingegangene Verpflichtungen zu erfüllen. Jetzt habe er die Partei compromittirt durch factivse Angriffe auf eine Maßregel, welche die öffentliche Meinung als eine Pflicht des Patriotismus verlange. Die Partei bedürfe eines andern Führers, der mit frischen Kräften und ohne Eigensinn und Engherzigkeit die zahlreichen Mitglieder der liberalen Partei wieder um eine Fahne sammele, und sie in geschlossener Phalanx zum Siege sichre/

Das Urtheil des Glaspalasts ist gesprochen. Das Unterhaus sprach sich den Freitag gegen seine Erhaltung im Hydepark aus. Eine Privatgesellschaft hat sich zu­sammengethan, um ihn in Wimbledonpark, einem Vergnügungsort für den kleinern Mittel- und bessern Arbeiterstand, als Privatspeculation wieder aufzubauen. Die Agi­tation für seine Erhaltung in Hydepark war sehr lebhaft, und noch vor einigen Tagen war eine sehr große Versammlung zu diesem Zwecke in Exeterhall, wo sich eine Ge­sellschaft erbot, nicht nur die zum Ankauf des Materials nöthige Summe, sondern auch die Kosten für den Ausbau, die Erhaltung, Bewohnung, Heizung und Ausschmückung des Gebäudes zn übernehmen. Ohne das Parlament konnte die Regierung Nichts thun, und ersteres scheint diesmal mehr Rücksicht aus die Antipathie der aristokratischen -Be­wohner in der Nachbarschaft des Parkes gegen Plebejische Fußgänger, als auf die Wünsche der Masse der Gebildeten genommen zu haben.

Theater. Das Beispiel von Henncttc Sontag hat anderen Zeitgenossinnen Lust gemacht, nach langer Trennung von der Bühne dahin zurückzukehren. Die Schwester der Schröder-Dcvrient, die Tochter von Sophie Schröder, Madame Schmidt, welche vor 20 Jahren in Hamburg in naivjugendlichen Rollen entzückte, ist im Begriff, als Sappho, Jphigcnie u. s. w. die Bühne von Hamburg wieder zu betreten. Jeden­falls ist Aussicht, in ihr eine Künstlerin von Bildung und Schule für das Theater zu gewinnen, und für das Fach der Hcldenmütter, welches ganz auszusterben droht, eine neue Vertreterin. ES scheint im Schauspiel leichter als in der Oper, nach viel-

Grenzbotcn. II. 1862. 33