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zu haben. Dieser Unmuth, welcher im bayrischen Ministerium am lebhaftesten ist, droht allerdings die Finanzen und den Wohlstand der einzelnen Oppositionsstaatcn sehr zu gefährden, wenn er stark genug sein sollte, dieselben zum Austritt aus dem Zollverein zu bewegen. Gegenwärtig scheint nur Bayern eines so verzweifelten Schrittes sähig. Die öffentliche Meinung^ Welche wenigstens in diesen Fragen des Geldbeutels von den Regierungen beachtet werden muß, steht diesmal sehr entschieden auf Preußens Seite. Der Vertrag mit Hannover wäre nie zu Stande gekommen, wenn Herr von der Psordten und seine Freunde vorher gefragt worden wären, und da bei den gegenwärtigen Konferenzen weder der Eintritt Gcsammtöstrcichs noch irgend eine wesentliche Aenderung des Tarifs durchzusetzen sein wird, weil Hannover gegen jede Erhöhung, die Binnenstaaten gegen weitere Ermäßigung der Zölle protestircn werden, so erscheint es allgemein als zweckwidrig und nachtheilig, wenn die Opposition ihre Versöhnung von weitreichenden Bedingungen abhängig machen sollte. Die verständigen und wohlwollenden unter den Regierungen der Opposition werden deshalb mit einer gewissen Empfindlichkeit und nach längeren Verhandlungen mit größter Wahrscheinlichkeit nachgeben. Was Bayern thun wird, ist nicht recht abzusehen; wol ist möglich, daß Herr von der Psordten selbst wegen seiner Antipathien gegen Preußen sällt, bevor Bayern sich definitiv vom Zollverein gelöst hat. Denn ohne Uebertreibung kann man sagen, daß der Staat, welcher sich jetzt von der Nordsee scheidet, sich vom Leben scheidet.'
Theater. Die deutschen Bühnen stehen am Ende ihrer Wintcrsaison. Die Theilnahme des Pnblicnms war in diesem Winter im Allgemeinen größer, als in den vergangenen Jahren, obgleich nicht geläugnet werden kann, daß bei den meisten Theatern zweiten Ranges das Schauspiel immer mehr Terrain verliert. Bei den meisten Stadttheatern ist es gar nicht mehr guter Ton, das Schauspiel zu besuchen, und dies ist mehr Schuld der Bühne' und der Schauspieler, als des Pnblicnms. -Die Wintersaison hat eine große Anzahl neuer Stücke, Opern und Dramen, auf das Repertoir gebracht, aber keinen einzigen glänzenden Erfolg, kaum eine neue hoffnungsvolle Kraft; nur sehr wenige der neuen Stücke scheinen das neue Jahr überleben zu wollen. —
Von Opern hat immer noch der „Prophet" und nächst diesem die „Großfürstin" von Flotow die meisten Vorstellungen erlebt. Keine der anderen deutschen Opern ist bis jetzt durchgedrungen. Bei diesem Mangel an Novitäten hat sich fast'überall eine Sehnsucht nach der ältern komischen Oper kund gegeben, und Dittcrsdorf's „Doctor und'Apotheker" und „Hicronymus Knicker," Fioravanti's „Dorfsängerinnen" sind oder werden an mehreren Orten neu einstudirt, und die komischen Opern unsres stehenden Rcpertoirs find fleißig wiederholt worden; Lortzing und Flotow erschienen vielleicht am häufigsten aus dem deutschen Theaterzettel. Durch die Kunstreise von Henricttc Sontag und. Johanna Waguer erhielten einzelne Opcrnaufführungcn für die betreffenden Gegenden ungewöhnliches Interesse, sowol die Sontag als die Wagner scheinen die große Tonr nach England und Amerika antreten zu wollen. — Im Drama hat die letzte Saison noch weniger Bedeutendes gefördert, als in der Oper; die beliebtesten Stücke waren Übersetzungen aus dem Französischen. Am häufigsten ist „Bajazzo," „Adrienne Lecouvrcur," „der Damenkricg" und eine Anzahl anderer Jntrigncnstnckc, nach ScriVc's Muster gemacht, gegeben worden. Von deutschen Dichtern hat Hackländer mit seinem Lustspiele „der geheime Agent" den größten Erfolg gehabt. Bencdir, mit seinen Lustspielen: „das Gefängniß" und „der Ruf" ist am fleißigsten gewesen, wol nur übertroffen von Charlotte Birch-Pfeiffer, welche mit vier Dramen: „Magdala," „im Walde," „ein Ring," und „wie man Hänser baut" debutirte, nicht ganz mit ihrem früheren Glück. Es wurden verhältnißmäßig viel kleine Lustspiele ciustudirt, worunter die von A. v. Puttlitz, als die zierlichsten, am besten gefielen. Am meisten Originalität entwickelte noch die Posse. Zwar war das erfolgreiche: „Guten Morgen. Herr Fischer!" auch eine Übertragung aus dem Französischen, aber die Berliner Localstücke: