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Journale von Paris anwerben und wurde unterdrückt, ehe es wirkliche Verbreitung gesunden hatte. Mickicwicz, als Redacteur, hat sich eben so unpraktisch gezeigt, wie er als Lehrer nicht mehr an seinem Platze ist. Die auswärtigen Fragen wurden vom Standpunkte seiner französischen Partei behandelt, statt das allgemeine Interesse Frankreichs im Auge zu behalten. Mickicwicz hätte durch gründliche Auseinandersetzung der deutschen und überhaupt der westlichen Verhältnisse den Franzosen zeigen müssen, woran ihre Revolutionen scheiterten; er hätte der Discussion über die wichtigsten internationalen Fragen die nöthigen Documente unterbreiten sollen, nnd er ward zum einseitigen Franzoscnthümlcr, wie die anderen Journale auch, mit dem Unterschiede blos, daß jcnc in der Regel noch besser unterrichtet waren, als das speciell für die auswärtige Politik gegründete Blatt. Mickiewitz vertrat überdies, so gut er es bei dem lebhaften Interesse, das der ungarische Krieg zu jener Zeit im Herzen aller liberalen Parteien Frankreichs sand, thun durfte ^ die Interessen des Panslavismns. Selbst die allgemeine europäische Revolution, welche die französischen Demokraten anstrebten, hatte für Mickicwicz uud seiuc Freunde blos eine panslavistische Vcdentung. Als Panslavist ist Mickicwicz ein geschworener Fcind der Deutschen, und zwar nicht blos der dentschen Reactionspartei, sondern des deutschen Elementes überhaupt. Dies gilt zum großen Theile auch von Michelet, der seine Kenntnisse von den deutschen und russischen Angelegenheiten aus dem vertrauten Umgänge mit Mickicwicz nnd dessen Freunden schöpfte. Dieser Mann, der auf die Jugend Frankreichs seit einer langen Reihe von Jahren einen so entschiedenen Einfluß übte, ist der vollendetste Nhctor, den die moderne französische Schule auszuweisen hat. Wenn wir seine unvollendete Geschichte Frankreichs ausnehmcn, sind seine Leistungen als Lehrer und als Schriftsteller kaum höher anzurechnen, als die eines unsrer phrasenreichcn Journalisten. Michelet liebte es, seinen Schülern gcgcuüber als Prophet uud Improvisator aufzutreten, und wenn ihm auch Ersteres mißlang, so gelang ihm das Letztere nur um so besser. Man kann sich nichts Zusammcn-Halt- und Einheits- oft auch Inhaltloseres denken, als eine sogenannte Vorlesung Michelct's. Er sprach über Alles, und über Alles in gleicher Weise. Seine Rcdelnst und Rcdcfertigkcit kam ihm dabei sehr zu Statten, und seine pomphafte, der Form nach häufig glänzende, stets abgerundete Phraseologie erfreute sich ungcthciltcn Bcisalls bei der studirendcn Jugend. Der Einfluß des politischen Marktes war iu jedem Satze fühlbar, und man sah, wie die Tagesdiscussion von außen in den Lchrsaal des Professors hineingezogen ward. Die flüchtige Jugend wußte es ihm Dank, daß er die brennenden Fragen, wclchc sie sonst nur schulschwänzend und kannegießernd zum Gegenstände ihrer Unterhaltung machen durfte, zum Vorwürfe seiner Vorlesungen nahm. Aber diese flüchtige Weise, die ernstesten Gegenstände der Philosophie und Geschichte blos per tWMiüöm zu behandeln, wie ein Journalist, dieses Haschen nach effectrcichen Phrasen nnd Wendungen, wie von der Tribune der Natio- nalversammluug herab, mußte den nachthciligsten Einfluß aus die Jugend üben. Statt die Lehren der Demokratie durch philosophische und historische Thatsachen nachzuweisen, begnügte er sich , wie die meisten sranzösischcn Tagesschriftstcller aller Parteien, mit gehaltlosen allgemeinen Formeln, welche die jungen Leute eben so schnell als dynamische Axiome annahmcn, als sie dieselben, ins Leben hinaustretend, wieder schnell vergaßen, oder, was noch schlimmer, verläugucten. Allein die Sucht, unmittelbar nnd augenblicklich in die Leitung der Staatsgeschäste einzugreifen, welche hier in Frankreich eine Grenzbotcn. II. -I8SI. 23