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Was ist die Revolution? Offenes Sendschreiben an Herrn Geheimen Justizrath Stahl.
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lichen Korporationen fordert, so wie die Aufhebung der Prärogativen, die der natürlichen Entwickelung zuwider sind, dürfte ihm um so weniger zu verargen sein, da er diese Aufhebung nicht ohne Entschädigung beansprucht, für den Fall, daß berechtigte Individuen vorhanden sind. Berechtigte Begriffe als Träger von Prärogativen erkennt er allerdings nicht an, nnd steht darin mit den rechtlichen Vorstellungen der Reformation ans gleichem Boden.

Viertens. ,,Die Revolution fordert die Trennung von Staat nnd Kirche." Wer fordert das nicht? Oder vielmehr, wo ist diese Trennung nicht schon vorhanden? Die Einheit der Kirche und des Staats ist mir in dem Falle denkbar, daß die Kirche selbst eine Einheit ist- Der preußische Staat aber ist z. B. in der Lage, es mit zwei gleichberechtigten Kirchen zu thun zu habeu, von denen das Princip der einen die andere ausschließt. Er mag also wollen oder nicht, er muß sich in seiner Stellung zn diesen Kirchen durch Motive bestimmen lassen, die nicht den kirchlichen Begriffen, sondern seinem eigenen Princip ent­nommen sind, ganz einerlei, ob die Kirche schon vor ihm vorhanden war oder, nicht. Was Sie weiter über die Irreligiosität der Revolution sagen, gehört mehr Ihrem christlichen Eifer, als der ruhigen Ueberlcgung au. Sie finden in dem Christenthum die einzige Kraft, welche die Revolution zu bändigen im Stande sei, aber Sie geben nicht den entferntesten Fingerzeig, auf welche Weise das Christenthum diese Aufgabe lösen soll. Die Geschichte widerspricht Ihnen. Das Christenthum hat überall, wo es in seiner Kraft und Herrlichkeit auftrat, nicht ein staatenbildendes, nicht ein conservatives, sondern ein revolutionäres Princip entwickelt. Es hat dies im alten Rom, im Papstthum, in der Refor­mation, im Jesnitismns gezeigt. Wie heilbringend diese revolutionäre Ein­wirkung für das Gedeihen der Menschheit war, darauf kommt es hier nicht an, jedenfalls war sie revolntionairer Natnr. Anch der Liberalismus ist an sich kein staatenbildendes Princip und behauptet auch nicht, es zu sein; seine Wirksam­keit ist eine vorzugsweise kritische. Aber Kritik ist eben so wenig ein negativer Begriff wie Revolution. Die Kritik des Liberalismus wirkt zerstörend gegen den Aberglauben, aber nicht zerstörend gegen den Staat, der ihr vielmehr als die höchste Aeußerung nnd Entfaltung der menschlichen Kraft für diese irdischen Ver­hältnisse das Höchste ist, und von dessen geordnetem Fortbestehen ihre eigene Mög­lichkeit abhängt.

Fünftens.Die Revolution fordert die Charte, d. h. die Vernichtung der ganzen naturwüchsigen geschichtlichen Verfassung des Laudes, wie sie durch Jahrhunderte sich gebildet, durch Herkommen und einzelne Gesetze, um eine neue zu macheu in einem Acte, in einer Urkunde, so daß kein Recht mehr gilt, als das in dieser Urkunde steht, und weil es in ihr steht." Eine solche Absurdität ist mir einzelnen Fanatikern in ihrem Fiebertranm eingefallen. So weitläufig anch die Verfassungen waren, so hat doch noch niemals ein gesetzgebender Körper den