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konstitutionellen Körperschaften, wie sie der Präsident dnrch Decrct vom 23. März ans eigener Machtvollkommenheit festgesetzt hat. Ihr Hauptcharakterzng ist die argwöhnische Sorgfalt, mit der sie Senat und Legislatur in absoluter Ohnmacht zu erhalten bemüht ist. Ueber dem Senate steht noch der Staatsrath, ebenfalls von dem Präsidenten ernannt, dessen Mitglieder die vorgelegten Gesetze bei der Berathung in den beiden anderen Körperschaften als Regierungscommissairc zu unterstützen haben. Der Senat kann blos den Erlaß eines Gesetzes verhindern oder gestatten; Zusätze oder Verbesscrnngsan- träge machen darf er nicht. Der Senat hat das Recht, über die Verfassuugswidrigkcit einer Handlung zu entscheiden, auf einen Bericht des Comitö, wenn die Regiernng über eine verfassungswidrige Handlung klagt; klagt aber ein Staatsbürger, so kann aus Antrag zur einfachen Tagesordnung übergegangen werden. Man vergesse dabei nicht, daß der über die Beschwerde gegen die Regierung allein entscheidende Senat von dieser Regierung ernannt und von ihr unbedingt abhängig ist. Seinen Geist hat er durch seinen ersten Beschluß hinlänglich an den Tag gelegt. Mit enthusiastischer Einmüthig- keit hat er dem Präsidenten, der nur 8 Will. Franken Civilliste haben wollte, 12 Millionen, den Gebrauch der ehemaligen königlichen Schlösser und die Jagd in den fünf' großen Staatssorsten bewilligt. Was den Senatoren an innerem Werth fehlt,, soll vielleicht die äußere Pracht ihrer von dem fruchtbaren Genie des Präsidenten erfundenen Uniformen ersetzen. Sie sind ganz bedeckt von Goldstickerei, und der Sammet, aus dem sie gemacht sind, kostet 80 Fr. die Anne. Er mußte in Lyon besonders bestellt werden. So ein Senator ist seine 2000 Fr. werth — natürlich mit dem Rock.
Der legislative Körper steht unter einem noch strengern Reglement. Kein .Mitglied dars sprechen, ohne den Präsidenten um Erlaubniß zu fragen, und diese erhalten zu haben, und zwar nur vom Platze, nicht von der Tribune — eine die Debatte sehr erleichternde Verbesserung, wenn überhaupt eine Debatte in dieser Versammlung möglich wäre. Ein wegen Unterbrechung zur Ordnung gerufenes Mitglied darf nicht sprechen. Wenn der Redner von der Frage abschweift, kann ihn der Präsident auffordern, bei der Sache zu bleiben, ohne daß er sich wegen dieser Zurechtweisung vertheidigen darf. Wenn ein Redner nach zweimaliger Zurechtweisung abermals von der vorliegenden Frage abschweift, kann ihm durch summarischen Beschluß der Versammlung das Wort für die Berathung dieser Sache entzogen werden. Persönlichkeiten und Zeichen des Beifalls und Mißfallens sind unbedingt untersagt. Wenn ein Mitglied gegen die Ordnung des Hauses verstößt, kann er nach dem dritten Male auf eine fünf Tage nicht übersteigende Zeit ausgeschlossen werden. Wir vermissen nur noch Entziehung der.warmen Kost,'Dunkelarrest und vielleicht anch die Rnthe, um uns ganz in eine Strafschule versetzt zu fühlen. Kein Mittel, das der menschliche Scharfsinn ersinnen kann, ist gespart, um jede Opposition im Keime zu ersticken. Ans dem alten Apparat von Erfindungen, um die Widerspenstigkeit der Mitglieder zu zügeln, droht jedoch eines zu verschwinden—die Glocke-— nicht Klingel — des Präsidenten, denn die selige Nationalversammlung war oft so stürmisch, daß eine Klingel von bescheidenen Dimensionen nicht genügte, um den Lärm zu übertönen. ' Damals war das Amt des Präsidenten keine Sinecure, nnd in der letzten Zeit mußte Herr Duvin daraus denken, bei dem hänsigen Gebrauch der riesigen Glocke seinem müden Arme einige Erleichterung zn verschaffen. Die Glocke wurde daher in einer Stellage aufgehangen, wo sie mit einer Leine leicht in Bewegung gesetzt werden konnte. Einmal geschah es, daß Dupin, der Schwüle des Sommcrnachmittags und der Beredt-
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