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Ein Blick auf die neuesten Zustände in der Türkei : von einem Serben.
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alle seine Freunde und Verwandten mit alleiniger Ausnahme seiner Mutter drängten ihu, seine treuesten Diener zu opfern Neschid Pascha, Feth Achmed Pascha, Omer Pascha, Fuad Effendi und andere Stützen seines wankenden Thrones wurden als seine Feinde, als Verräther und Bösewichte geschildert, die man im Interesse des Glaubens und des Staates ccrasiren müsse. Da aber das Herz des Großherrn an diesen Männern hängt, fanden jene Stimmen nur halbes Gehör; er wollte ihnen gerecht werden, ohne seine Lieben zu opfern. Die Alttürken gewannen immer mehr Terrain, konnten aber damit um so weniger zufrieden sein, als es ihnen von den Reformers theilweise über Nacht wieder ent­rissen wurde. Den von Omer Pascha vorbereiteten Feldzng gegen Albanien") gelang es ihnen vollständig zu hintertreiben; dagegen vermochten sie in der Komödie mit dem heiligen Grabe ihren Willen nicht durchzusetzen, da der Sultan, trotz des freundschaftlichen Ukases des rechtgläubige» Czaren, von seinem Willen nicht ab­zubringen war und zu Gunsten Frankreichs entschied. Freilich erhielten die St. Petersburger Rathschläge später die umfassendste Würdigung, aber der kaum entfernte Großvezier Neschid Pascha rückte eben auch wieder in die von ihm inne gehabte Stelle ein. Gleichzeitig bemerkte man an Sir Stratford Canning einen solchen Gesinnungswechsel gegenüber Herrn von Titoff, daß der russische Diplo­mat im vollen Sinne des Wortes unter der maßlosen Freundschaft des englischen Botschafters leidet.

Die stambuler Politik ist, wie man aus alle dem errathen kann, in eine Sakgasse geranut, aus welcher nur schwer ein Ausgang zu finden sein dürste: denn nach .gerade macht dieses maßlose Hin- uud Herschwanken selbst die daran Ge­wöhnten müde.

In Fragen der innern Politik scheint die Pforte der alttürkischeu Partei bedeutende Concessionen gemacht zu haben. Betrachten wir einige der Prämissen, aus denen wir diesen Schluß ziehen.

Zuvorderst zeigt sich dies an den Verhältnissen zu Serbien. Bekanntlich war die türkische Negierung unter Garvschanin so türkenfreundlich, als es Serben nur irgend möglich ist, und erwarb sich seit 1848 die größten Verdienste um die Pforte. Dafür wünschte der so oft vom Sultan gepriesene Fürst Alexander Karadschordschewitsch eiuen reeller» Dank, uud schickte seinen Minister der aus­wärtigen Angelegenheiten, Herrn Awram Petronijewitsch, nach Stambul, um sür seiu Haus die erbliche Bclehnung mit dem Fürftenthume Serbien zu erlangen. Aber alle hierauf bezüglichen Negotiativnen blieben ohne Erfolg, und der verlangte Berat wurde mit dürreu Worten verweigert. Garoschauin, ohnehin an einem schweren Angenübel leidend, wurde dadurch empfindlicher verletzt, als selbst der Fürst und Nahm seine Entlassung, welche eineu förmlichen Systemwechsel nach sich zog,

Grenzboten Heft 33.

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