Contribution 
Allgemeine Monatsschrift für Wissenschaft und Literatur.
Page
484
Turn right 90°Turn left 90°
  
  
  
  
  
 
Download single image
 

484

hier nicht einzugehen, berühren wir nur das weitläufige Gebiet der Philosophie. In den letzten Jahren hat sich zwar die Polemik etwas beruhigt, sie ist aber doch uoch immer laut genug, um bei jedem Unbefangenen die Vermuthung her­vorzurufen, daß jede einzelne Schule in einer allen übrigen unverständlichen Sprache Monologe mit sich selbst halte, uud daß der Juhalt von Gedanken, den z. B. ein Hegelianer sür den Inbegriff der Wissenschaft ausgiebt, der vollständigste, Widerspruch sei gegen den Jdeenvorrath irgend einer andern Schule. Das tritt bei uns Deutschen noch viel auffallender hervor, weil uusre Philosophen bei ihren Darstellungen immer die wissenschaftliche Form festhalten. Die Franzosen und Engländer geben mcistentheils ihre Philosophien in der Form von Ansichten uud Meinungen, nnd weun das Publicum mit dieseu uicht übereinstimmt, so erkennt es doch unbedingt dem Autor das Recht zu, uach seiuer Individualität zu em­pfinden und zu meiuen. Der deutsche Philosoph dagegen verlangt von seinem Schüler eine strenge Disciplin, er weiht ihn in eine technische Sprache ein, und ist nicht zufrieden mit der Annahme einzelner Ansichten uud Glaubenssätze, er verlangt die Aufnahme des Systems in seiner Totalität. Wenn der Schüler nun hört, daß dieses gauze System von einer andern Seite her als eine Ver- irrnng bezeichnet wird, so kommt er zu leicht ans den Gedanken, hier oder dort wissentliche Charlatauerie vorauszusetzen.

Diese absolute Widerlegung des eineu Systems durch das andere ist aller­dings nur ein Schein. Wenn es in der Philosophie viele streitige Punkte giebt, so bestehen eben so viel reine Resultate der Erkenntniß, über die jeder Philosoph einig ist. Noch viel mehr ist das bei allen übrigen Disciplinen der Fall. Die Aufgabe eines wissenschaftlichen Journals, wie das vorliegende, wird also die sein, diesen der Polemik entzogenen Theil der Wissenschaft dnrch eine plastische Darstellung zu constatiren, und indem sie ihm seine gleichsam küustlerische'Volleu- düng giebt, zu gleicher Zeit genau die Grenzlinie anzugeben, wo das Reich der Polemik, der Hypothese«, oder auch der bloßen Einfälle und Meinungen beginnt. Eine sehr schwere Aufgabe, denn sie setzt sowol umfassendes Wissen, als volle Unbefangenheit voraus; aber auch eine segensreiche, welche die Wissenschaft als solche mehr fördert, als eine ganze Menge nener Systeme und neuer Contro- verse. Es versteht sich von selbst,, daß eine gelehrte Zeitschrist diese Aufgabe immer nur an einzelnen Gegenständen erschöpfend wird lösen können;' nm so mehr, da sie sich vorzugsweise auf solche Gebiete einlassen muß,.die noch nicht so weit abgeschlossen sind, die Form eines Cvmpendiums zn ertragen. Hier giebt es aber eine Methode, welche die Hauptzwecke eiuer Coutroversschrift er­füllt, ohne die soust damit verbundenen Uebelstände mit sich zu bringen, und die am meisten dazn geeignet ist, dem gebildeten Pnblicnm Ehrfurcht vor der Wissen­schaft, und der Wissenschaft selbst ein freudigeres Selbstgefühl einzuflößen: die constructive, geuetische Methode, die uus nicht blos mit den Resultaten des