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da sie eine für Deutschland ganz nene ist. Zwei wissenschaftliche Journale, die in früherer Zeit einen sehr großen Einfluß auf die Literatur ausgeübt habeu, die Berliner uud die Halleschen Jahrbücher, hatten eine davon sehr verschiedene Tendenz. Sie gingen von einer bestimmten Schule au-s, die mau fast eiue Partei nennen konnte, uud brachte« daher jene Einheit bereits mit, welche die nene Zeitschrift erst suchen muß. Das war in einer Beziehung ein Vortheil, denn es erleichterte die Gemeinsamkeit und damit die Freude am Arbeiten. Es war aber auch eiu Nachtheil, denn es machte die innere uuiverselle Fortbildung schwer oder fast unmöglich. Die äußere Eiuwirkuug aber einer geschlossenen Richtuug auf die Gesammtliteratur kann nur für eine gewisse Zeit fortdauern. Daher waren jene beiden Zeitschriften zu einer kurzen Blüthe schon von ihrer Geburt an prädestinirt.
Die neue Zeitschrist soll ihre reale Einheit erst suchen. Sie geht allerdings von eiuer Eiuheit aus, aber nur von einer ideelleu, die noch keine äußere Gestalt gefunden hat, von der Einheit der deutschen Wissenschaft. Ihre erste Anfgabe wird also sein müssen, diese latente Einheit zum Bewußtsein zu bringen.
Wer wollte läugnen, daß die Sprödigkeit unsrer deutschen Gelehrten, aus dem strengen Mechanismus ihres Forschens herauszugehen, ans den Ernst uusrer Wissenschaft einen sehr heilsamen Einfluß ausgeübt hat? Weun die französische» und englischen Gelehrten mit der größten Leichtigkeit die Resultate ihrer Forschungen in gefälliger Form dem gebildeten Publicum darzustellen wissen, so ist der Gruud davon in der Entschlossenheit zu sucheu, mit der sie ihre Forschuugeu abschließen. Diese Entschlossenheit ist mit einem gewissen Leichtsinn unzertrennlich verbunden, und unsre deutschen Gelehrten haben vollkommen Recht, wenn sie über die Wissenschaftlichkeit, z. B. im .lournal cles Savants oder in einer englischen Keview, zuweilen bedenklich den Kopf schütteln.
Aber mit dieser mikroskopischen Thätigkeit sind anch große Uebelstände verbunden. Einmal bezieht sich jede originelle Forschung ans streitige Punkte, und es wird selten eine wissenschaftliche Methode geben, welche diese Punkte so vollständig erledigt, daß die von anderen Voraussetzungen ausgehenden Gegner augenblicklich davon überzeugt werden. So nimmt unsre Wissenschaft die Form einer permanenten Polemik an, und nicht blos der draußen Stehende wird gar zu leicht versucht, auf diese streitigen Punkte allein seine Aufmerksamkeit zu richten, und die Forschungen, die es nie zu einer Darstellung bringen, mit einem gewissen blastrten Skepticismus zu betrachten. Natürlich ist-das nicht in allen Wissenschaften in gleichem Maße der Fall. Es giebt Wissenschaften, die ihre Resultate aller Welt so handgreiflich vor Angen legen können, daß sie jeden Zweifel ausschließen; aber es giebt andere, die gerade durch die Form ihres Argumen- tirens den 'Zweifel hervorrufen. Um auf die bedenkliche Frage der Theologie
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