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unsre Ansicht bis auf die Worte wiedergegeben. Das könnten wir uns gefallen lassen, wenn sich nicht dazwischen auch einzelne Redensarten fänden, die nicht die unsrigen sind, oder vielmehr, in denen unsre Auffassung verdreht ist, z.B.: „In der Instrumentation hat er viel Schönes, ja Herrliches, zum Theil selbst Neues gebracht, nur ist er auch in den Fehler verfallen, daß er für unsre kleinen deutscheu Bühnen zu stark instrumen- tirt, namentlich tritt seine Vorliebe für das Blech überall hervor, und die unausbleibliche sicherste Folge ist und bleibt vollständige Ermattung des Hörers :c." Etwas Aehnliches hatten wir allerdings gesagt, aber nicht in dieser unsinnigen Zusammenstellung und in dieser saloppen Form.
Schon aus diesem einzelnen Aufsatz kann man schließen, daß ein Mensch, der ein fremdes Urtheil ohne alle Prüfung, ohne alle Kenntniß für das seinige ausgiebt, mit der gleichen Gewissenlosigkeit auch in allen übrigen Fällen verfahren wird, und so finden wir allerdings auch in den Aufsätzen über Marschner, Gade und Schumann viele unsrer eigenen Behauptungen ipsissimis verbis wieder,' nur daß nebenbei der würdige Aesthetiker auch auf uns stichelt, und daß er dazwischen auch einmal das Entgegengesetzte vorbringt. In unsrem Aussatz über Schumann z. B. hatten wir vor allen Dingen die große Bedeutung dieses Künstlers hervorzuheben gesucht, wenn wir auch gegen das, was wir für seine Fehler hielten, nicht blind waren. Diese letzteren Aeußerungen adop- tirt der Wohlbekannte, nnd kommt zu dem Resultat, daß Schumann ein ganz unbedeutender Musiker und nur durch eine malitiöse Journalistenclique berühmt geworden sei.
In den übrigen Aussätzen finden sich neben dem haarsträubendsten Unsinn hin und wieder einzelne Bemerkungen, die von Sachkenntniß zeugen und zuweilen ganz treffend sind. Nach dem Vorhergehenden glauben wir wol nicht Unrecht zu thun, wenn wir den Schluß machen, daß er auch diese irgendwo abgeschrieben baben wird.
Der Grundgedanke seines Buchs ist eine Polemik gegen die sogenannte gelehrte Musik. Er findet selbst von Mendelssohn, den er sonst gelten läßt, daß er durch das entnervende Studium Bach'scher Fugen in einzelnen Kompositionen dcmoralisirt sei. Bach sei nur für die Zopfzeit genießbar gewesen. Selbst Mozart habe dadurch schädlich gewirkt, daß er die spätere Verschwendung der Jnstrumentationsmittel veranlaßt habe.. Haydn kommt am besten weg; er wird für das größte musikalische Genie erklärt. Von Mozart werden einzelne Briefe angeführt, in denen nachgewiesen werden soll, daß er immer auf den Effect gearbeitet habe, d. h. daß er in seinen Schöpfungen durch die Meinungen des Publicums bestimmt worden sei. Das sei allein der richtige Weg der Kunst, und gerade weil Meyerbeer diesen Weg eingeschlagen, sei er der größte Com- ponist der neuern Zeit geworden, und weil Weber in seinem Freischütz nach den Bedürfnissen des Publicums, in den anderen Opern dagegen nach seinen eigenen Ansichten gearbeitet habe, seien die letzteren schlechter ausgefallen. Wie er auf Beethoven zn sprechen kommt, vergißt er wieder, daß einige Seiten vorher Haydn das größte Genie gewesen ist, jetzt steht vielmehr Beethoven „in der Musik so einzig, so vollendet, so riesengroß da, wie in der Dichtkunst Shakespeare". Das sind die richtigen Phrasen unsrer literarischen Jndustrieritter, die sich in den Tagesblättern über Musik vernehmen lassen. — Wenn er aber die frühere Thätigkeit Beethoven's gelten läßt, so enthält nach ihm die letzte Periode desselben eine Reihe beklagenswerther Verirrungen, die sich zwar durch seine Taubheit und seine Hypochondrie entschuldigen lassen, die aber höchst ungerechter Weise als Schönheiten dargestellt werden. Wer das thut, „der ist ein Heuchler oder Nicht-