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umgaukelt, wurde sie von fernem Schalle geöffneter und zugeschlagener Thüren geweckt. An jener Thür, die sonst geräuschlos und ohne Ceremonie sich zn öffnen Pflegte, hörte sie zwei Lakaien den Prinzen ihres Herzens laut und steif anmelden, und dieser ungewohnte Apparat des strengsten Ceremoniells verursachte ihr eine so starke Bewegung, daß die bühnengeübte Heldin in die fatalste Situation eines seigen Soldaten gerieth. Ihr Freuud kam, uud obgleich er als feiunasiger Staatsmauu aller Wahrscheinlichkeit nach sogleich errathen, was vorgegangen, ließ er doch aus schuldiger Schonung und Galanterie gegen das schöne Geschlecht Nichts merken.
Mlle C. glanbte es ihrer vervielfachten Liebenswürdigkeit danken zu können, daß der Unfall nneutdeckt geblieben, und sie wurde in dieser Meinnng bestärkt, als sie nach eiuigeu Tagen ein Briefchen erhielt, in welchem sich drei tausend Frankennoten befanden. Allein der geschriebene Inhalt riß sie ans ihrer glücklichen Täuschung. Man sagte ihr nämlich die schmeichelhaftesten Dinge über ihre Liebenswürdigkeit, entschuldigte aber am Schlüsse, daß man das Geschenk nicht in Gold gemacht, mit der Vermuthung, daß der Dame Papier vielleicht angenehmer sein dürfte.
Der C o n st a b l e r i s m u s.
Uuter diesem Namen sei hier eine merkwürdige Krankheit bezeichnet, welche gegenwärtig in Deutschland grassirt, sehr ansteckend ist, uud den Kranken viel Haarsträuben, Schauer uud aeute Wuthaufälle verursacht, auf welche die entsprechenden Abspannungen folgen. Da dieses Leiden in der Regel nur gute Menschen und loyale Gemüther ergreift, so ist es um so schrecklicher. Einige Beispiele werden das Wesen dieses seltsamen Zustandes deutlich machen.
Schreiber dieses kehrte eiust am Abend von einer Reise zu seiner Familie auf dem Lande zurück. Er fand das Hofthor vor der gewöhnlichen Stuude geschlossen. Eine Nachtpatrouille in Hemdsärmeln mit Axt, Heugabeln uud Laterne bewaffnet, läßt ihn . zögernd und mit langen Gesichtern ein. Hansmädchen sehen scheu mit bleichen Waugen aus einem Spalt der zugehaltenen Küchenthür auf den Eintretenden. Als er deu Griff der Stubenthür faßt, fahren die Stubenbewohner schreiend von ihren Stühlen aus, uud schicken sich an,,die Hände zn ringen, statt ihm entgegenzueilen. Der Angekommne legt sich verwundert und ermüdet ins Bett, und löscht das Licht aus. Nach einer Weile stößt er an den Leuchter, der Leuchter fällt klirrend auf den Stiefelknecht. Augenblicklich erhebt sich im Hause ein Flüstern. Es trippelt auf der Flur, es knarrt auf der Treppe. Leise Stimmen fragen durch das Schlüsselloch, ob er noch lebe? Feine Stimmchen fangen an zu schluchzen.