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Pariser Botschaften.
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dem Nepertoir bleiben, und daö ist ein großer Gewinn. Die Leute müssen end­lich zum Bewußtsein kommen, daß man auch ohne gezwungene und unnatürliche Effecte, ohue Gewaltschreie und Spectakel einen musikalischen Geuuß haben kann. Das Pariser Publicum wird vielleicht endlich einsehen lernen, daß Reichthum der ' Justrumcntation organisch mit der dramatischen Melodie verwachsen sein kann, und uicht, wie zuweilen beim französischen Meyerbeer, oder immer beim ganz frcmzöst- chen Berlioz, übertriebene" Effecthascherei und marktschreierische Lärmsucht. Hiller hat jedenfalls ein verdienstliches Werk vollbracht, schon ans dem Grunde, daß er die hiesigen Musiker wieder zur Discussion zwiugt. Sie werden wüthend über ihn herfallen, uud vielleicht schlägt ihn ein heißblütiger Italiener todt, vielleicht ersticht ihn ein Franzose aus Nationaleitelkeit das macht aber Nichts der Fidelio hat ihnen doch ein GuckuckSei ins Nest gelegt, uud Auber, Adam, Halevy, e WM ForanU werden znr überraschenden Einsicht gelangen, daß sie den soliden Geschmack noch nicht ganz znm Verenden gebracht. Ueberdies ist die Oper mit größtem Erfolge bis jetzt zwei Mal wiederholt worden.

Auf den anderen Bühnen ist nur wenig los, und wer jetzt über das fran­zösische Theater zu schreiben gezwungen ist, hat eine schwierige Aufgabe. Fast will es uns bedünken, daß den Franzosen über der Verblüffung nach dem zweiten December der Witz ausgegangen ist. Sie sind zu gute Speculanten, um nicht zu begreifen, daß sich in diesem Augenblick ein guter gesunder Kernspaß vortrefflich rentiren müßte, und wenn sie nicht mit einem solchen hervorrücken, ist blos ihre Ohnmacht schuld darau. Die große Oper, das ^Küüti's ?ranya,i8 leben nur von Versprechungen und ihrem alten Nepertoir. Die Boulevardtheater.kehren dem Vampyre und anderen Hexereien den Rücken, um den Fischweibern in die Arme zu fallen, aber das sind auch erst zukünftige Produktionen, die Gegenwart bietet uns Nichts, und Musard Vater uud Sohn sind die eiuzigen zwei Personen in Paris, die so recht Bewegung in unser Leben zu bringen wissen. Je weniger die Theaterdichter thun, um so thätiger sind unsre Schauspielerinnen, und wenn wir der bösen Fama des Foyers trauen dürfen, wird der Carneval nicht ohne Faschingsspäße vorübergehen. Seit die Polizei verboten hat, in den Foyer's von Politik zu sprechen, hält die Olu-oMue sog,n- 6a.1<zu86 wieder das Terrain allein besetzt, und ich könnte, wie Döbler mit seinen Sträußchen, die Cancans über den Rhein werfen ohne Ende, und so lauge es nnr gewünscht wird. Am komischsten ist die Heirathswuth, welche sich der schau­spielenden Damenwelt bemächtigt hat. Ich weiß nicht, ob der zweite December neben der Gesellschaft auch die Moral gerettet hat, genug, die Schauspielerinnen, die kleiuen Sünderinnen von allen Bühnen wollen sich bekehren und gute Haus­frauen werden, nachdem sie Franen von Haus aus gewesen. Mademoiselle Doche vom Vaudeville, die zu den berühmtesten Schauspielerinnen gehört und zwar ist die markirteste Seite dieser Berühmtheit nicht die dramatische, hat ihr Auge

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