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ein wenig willkürliches und gesetzloses Regiment zu achten; seine Nachbarschaft in Westen aber als ein etwas zu unruhiges und launisches, jedoch aber sehr freies nnd angenehmes Volk zn verehren, und seinen eigenen Zustand als eine Art von mittlerem Durchschnitt zwischen russischer Väterlichkeit nnd französischer Freiheit kritisch zu beurtheilen. Das ist jetzt unmöglich geworden. Es ist Deutschen ganz unmöglich, uoch zn sagen: bei den Franzosen lebt man zwar freier als bei uns, aber bei nns lebt man noch viel freier als bei den Russen. Alle unsre Logik wird über den Haufen geworfen , unsre politische Wcltftellung ist radical verändert. Wir, die wir vor Kurzem uoch die mittlere Proportionale zwischen Nußland und dem Westen waren, wir Centrummänner des europäischen Conti- nentö, welche vou beiden Nachbarn als Halbe angefeindet wurden, wir sind jetzt auf einmal freier, gesetzvoller, glücklicher, ja wir sind unendlich weiter avan- cirt, als die Franzosen. Unsre Negierungen bestehen aus radicalen Freiheitsmännern, ja aus antiken, republikanischen Charakteren. Unsre Presse ist zügellos frei geworden. Unsre Volksvertretungen sind mit wahrhaft svuverainer demokratischer Macht bekleidet, uuser Privateigenthum, Felder und Wälder, Häuser uud Actieu haben eiue übermenschliche gesetzliche Sicherheit, gewissermaßen eine ewige Dauer erhalten. Alles natürlich vergleichsweise, und zwar im Vergleich mit Frankreich. Diese merkwürdige Veränderung unsrer Stellung verdanken wir der knrzen, aber außerordentlich ehrenwerthen Thätigkeit von Mouseigneur le Prince Louis Napoleon. Da uns die Franzosen so lange und so bitter unsren deutschen Trost vorgeworfen haben, werden sie es angemessen finden, wenn wir jetzt mit dem uns eigenen bescheidenen Ernst und ohne jede Spnr von Schadenfreude sagen: wir sind uicht kolossale Charaktere, wir sind zuweilen ungeschickt und unpraktisch, aber wir schießen nicht die Häuser zusammen, wo Freunde wohnen, die uus compromittireu konnten, wir todten unsre Feinde nicht durch Piperin, wir consisciren nicht die Güter Unschuldiger; wir sind noch nicht immer weise Staatsmänner, aber wir sind auch teiue Borgias.
Vielleicht hat uns gerade der Gruudzng unsres Wesens, der uns den „deutschen Trost" in schlechten Lagen an die Hand gab, auch davor bewahrt, in die schlechtesten Lagen zu kommen. Denn der Gruudzng im Wesen des Deutschen ist seine wunderbare Fähigkeit, die gemüthlichen Ideale, die er gerade hat, in allerliebster Träumerei festzuhalten, und sich jede Lage und Umgebung damit zu schmücken; er hat deshalb das Bedürfniß, im Frieden zu sein mit seiner Umgebung; und die Freundlichkeit und das Wohlwollen, welche er in sich trägt, auch wieder zu erfahren. Das macht ihu in allen Lagen rücksichtsvoll gegen Andere, und erhält; ihn auch da genügsam und in den Schranken des Gesetzes, wo die Versuchung zu Selbstüberhebung, Tyrannei uud straflosem Frevel nahe liegt. Auch in Deutschland ist bei den großen Versuchungen, welche unsre politischen Verhältnisse darboten, von Fürsten und Völkern viel gegen Recht und Gesetz gefehlt worden, aber fast nie