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Die Ausstellung berühmter Handzeichnungen zu Weimar.
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zähler nur, er habe neckend damit gedroht. Johannes, wehmuthsvoll, hat die Hände in einander gelegt und sein Haupt gesenkten Blicks zur Seite sinken lassen, dem Petrus zugeneigt. Diesen Kopf, wie den des Christus, hat Rnbens am srcisteu, in der ihm selbst gewohnten Weise gebildet. Marco und Pietro haben ihn dem rundlichen Typus weiblicher Schönheit, wie er in ihrer Schule herrschend war, angenähert. Daher bei Morghen das gefällige, aber wenig sagende Pnppen- geficht. Etwas Weibliches hat der Johanneskopf auch im Pastellbild, aber die Gesichtsform ist länglicher, die Modellirung, vbwol die Farbe vergangen, wunder­bar erhalten, und die Trauer des Augeuniederschlags, Athem und Seele des Muudes unbeschreiblich. Der Christnskops ist in Krusemaun's Copie nach dem Pastellbilb nnbärtig und auch in der Form jugendlicher und minder länglich als in den Kopien, übrigens wie in den letzteren auch in dieser Nachbilduug ohne bestimmten Ausdruck. Die Tradition sagt, Leonardo habe nicht zum letzten Ent­schluß mit ihm kommen können. Zur Linken des Christus erscheint zunächst der vorgestreckte Kopf des Thomas. Mit gezogener Braue, mit gehobenem Finger giebt er die schwere Bedenklichkeit der vernommenen Eröffnung zu erkennen. Seine Miene ist im Pastellbild mit viel mehr Ernst und Kummer vermählt, als in deu Abbildern. Aber bei Jacobus dem Aeltern ist der Äfftet am lebhaftesten. Mit niederblickendem Antlitz, fliegendem Haar stößt er beide Hände vor sich hinaus. Marco und Pietro haben die schwierige Ansicht nicht herausgebracht, den Mund verzerrt. Im Pastellbilde ist er trefflich gezeichnet: die im Niederblick starrenden Augen und die Mundöffnung machen deutlich, daß Christi Wort diesem kräftig- reizbaren Mann einen Stoß auf die Brust gegeben, und er, sein Entsetzen äußernd, nach Lust schnappt. Philippus, der aufgestanden ist, gegen den Herrn hin sich neigt und mit auf die Brust gelegten Händen seine Treue, seine Liebe betheuert, ist schon bei Marco wegen der Innigkeit des Motivs, mit der.das Jnnglingsangesicht hinstrebt zum Meister, eine sehr einnehmende Gestalt. An der Pastellzeichnnng ist der Austrag im Haar vergangen, der Hals fleckig, das rechte, iu der Wendung noch sichtbare Auge beeinträchtigt, uud doch wird das Ganze aus dem erhaltenen Profil und Auge so lebendig, und mit einer solchen Tiefe der Empfindung, wie es kein Nachbild geben konnte. Mit Philippus contrastirt der gleichfalls jugend­liche Matthäus. Er hat sich nach der andern Seite zu den zwei letzten Aposteln gewendet, fragend, ob sie begreisen, was der Meister sagte, nach welchem er mit beiden rückgestreckteu Armen hindeutet. Das Pastellbild läßt die Nöthe des Zorus auf seiner Wange, das Zittern deö Mnndes erkennen. Und so werden gewiß auch die Origiualzeichnuugen des Thaddäus und Simon, die uns hier fehlen, zn der Steigerung stimmen, welche die bisher erwähnten unsrem Begriff von da Vinci's Abendmahl geben. Wie eigen bewegt es, vor diesen Köpfen zu stehen, und in ihrem Ausdruck deu großen, gehaltvollen Lebensmoment zu empfinden, den ein großer Mensch vor vierthalbhundert Jahren gehabt hat! A. S.