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Die Ausstellung berühmter Handzeichnungen zu Weimar.
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Reife und bei einer Virtuosität, die damals kein Gleichzeitiger hatte, die heilige Unschuld seiner Begeisterung fühlt. Man darf, man muß sagen, daß man diesen Naturgrößen, bilduugsernsteu Geist kaum aus irgend einer andern seiner noch vorhandenen Arbeiten in gleicher Fülle nnd Reinheit kennen lernen, und daß mail von seinem größten Werk nur uoch aus diesen Pastellbildern den wahren Begriff erhalten kann.

Das Wandgemälde selbst, welches Leonardo 1498 oder 99 vollendet hat, war bekanntlich schon SO Jahre nachher durch die Feuchtigkeit der Wand halb verdorben, ucich weiteren 30 Jahren fast unkenntlich, verblichen, verdunkelt, theil­weise abgesprungen uud abgefalleu von der Mauer. Hierauf war es, daß Bianchi Vespiuo, vom Cardinal Borromeo beauftragt, auf einzelnen, erst schließ­lich zusammengesetzten Leinwandstücken die gleichgroße Copie in Oel malte. Ver­gebens. Denn theils kouute er, was er maleu sollte, nicht sehen, theils, was er sehen konnte, nicht malen. Das Original aber wurde, nachdem weitere 100 Jahre daran gezehrt und gewaltsame Beschädigungen es noch mehr entstellt hat­ten, zuerst von Bellotti (1726) anstatt restanrirt, derb übermalt, dann von Mazza (1770) mit Eisen bekratzt nnd nen bedeckt, so daß, der ferneren Unbilden durch französische Soldaten nnd durch Überschwemmung zu geschweigen, jetzt vou Leo- uardo's Hand Nichts mehr daran zu gewahren ist, als etwa das Tischtuch und ein Paar Stellen der Lust. Bossi, 1807 vom Vicekönig Eugen beauftragt, mit allen anfzutreibenden Mitteln Leonardo's Bild, iu gleicher Größe nachzuahmen, war nach Anlage und Gewöhnung nicht der Mann dazu. Er hielt sich entschie­den an die nuglückliche Copie vou Vespiuo. Seiu fremdartiges Bild war die Grundlage des Rieseumosaiks von Nafaelli, welches sich jetzt in Wien befindet. Was noch übrig war, um einen nähern Begriff des Originals zn geben, das sind die zwei Copien des Abendmahls von einem Schüler Leouardo's, dem Marco d'Oggione, die eine in Fresco im Speisesaal des Klosters Castellazzo (Haupt­grundlage des Kupferstichs vou Morgheu), die andere in Oel für den Speisesaal der Karthause zu Pavia gemalt, jetzt iu der Akademie d. K. zu Loudon (gesto­chen von I. Frey); seruer die Oelcopie in der Kirche zu Ponte Capriasca, dem Pietro Lniui (Sohn des Hanptschülers von Leonardo) zugeschrieben. Diese drei Schulcopieu haben Naturgröße, das Loudouer Bild etwa wenig darüber, während in Leonardo's Bild die Fignren anderthalbmal lebensgroß waren. Noch ist zu nennen der dem Sontman beigelegte Kupferstich nach einer Zeichnung, die Ru­bens von Leonardo's Abendmahl gemacht. Die Uebereinstimmung der drei Schul­copieu uud der Zeichuung vou Rubens, was die Stellungen, die Kopflagen, die Motive der Häude uud Verkettuug der Compositiou betrifft, ist von Werth, und zeugt in mehrfacher Beziehung gegeu Vespino'S uud Bossi's Annahmen. DieGesichter- Liueamente sind, einzeln genommen, in den Copien des Marco d'Oggione nnd des Pietro Lniui (von welchen die Weimarische Kunstsammlung Durchzeichnuugeu besitzt)