Beitrag 
Styl und Schriftsprache der Deutschen : ein Wunsch.
Seite
5
Einzelbild herunterladen
 

3

als 60 Jahren furchten, tadeln und nachahmen. In der pointirten Dictiott empfinden wir eiuen eitlen Sinn, der nicht die Wahrheit, sondern den Glanz sucht, in den kurzen präteusiösen Absätzen der Schrift, welche auch das Unbedeutende wirksam uud imponirend darzustellen suchen, einen Geist, dem eS weniger um rnhige Dauer als um Emotionen zn thun ist, in dem dramatischen Leben ihrer Sprache, deu scharfen Gegensätzen, dem schnellen Abbrechen, das schnelle, geistes­gewandte, entschlossene, sanguinische Volk. Bei dem Vergleich der französischen uud englischen mit der deutschen Schriftsprache läßt sich aber nicht nnr die große Verschiedenheit der einzelnen Nationalitäten wahrnehmen, sondern auch der eigen­thümliche Umstand, daß der deutsche Styl noch in anderer Weise charakteristisch für uus ist, als der französische für den Franzosen und selbst der englische für den Bvitteu. Daß er nicht nnr viel mannichfaltiger und verschiedener gefärbt ist, sondern auch, daß in ihm manche Eigenschaften des französischen uud euglischen Styls sich in sehr geringem Grade finden.

Es wird nöthig sein, hier zu sagen, was wir unter Styl verstehen. Nicht nur die Wahl der einzelnen Wörter beim Lebendigmachcn unsrer Vorstellungen, auch uicht uur die Verbindung der einzelnen kleinen logischen Sätze zu Satzpenodcn der Sprache, souderu die ganze Darstellmig eines geistigen Inhalts dnrch die Sprache; also auch die Methode des Denkens, die Einwikruug der in der Seele aufblitzeuden Vergleiche, Bilder uud Nebeuvörstelluugeu, welche bei jedem kräf­tigen Geiste das Fixiren einer Reihe von Vorstellungen in der Rede begleiten, knrz die Gesammtthätigkeit der Seele, so weit sie in ihrer Schöpfung, der Sprache, sich abspiegelt.

Der Engländer nnd der Franzose haben beide den Vortheil, daß die ge- sammte Nation ihnen charakteristische Wörter und Redensarten von bestimmter Färbuug unablässig nnd in Massen bilden hilft. Eine Fülle von gemüthlichen, lannigen, humoristischen Wörtern, von geistreichen, charakteristischen Wendungen, als Ausdruck der entsprechenden Empfindungen im Volke, klingen in diesen großen nnd concentrirten Staaten, in dem buuten Leben der Hauptstädte, aus dem Mnnde des Volkes schnell in die Seele des Schreibenden. Das größere Beha­gen vieler Einzelnen an ihrer Existenz und die zahlreicheren gemeinsamen Inte­ressen der Einzelnen haben dort bereits sehr viele gemüthliche oder geistreiche Vor­stellungen zum Gemeingut der gauzcu Nation gemacht, und es wird dem Engländer oder Franzosen bei einem solchen Reichthum des Materials viel leichter, mit Lauue oder Esprit zu schreiben, als dies sonst der Fall wäre. Im Deutschen steht die Schriftsprache isolirter, dem Volke ferner, das gemüthliche Leben, des deutschen Volkes steckt ganz in den Dialekten, welche unter einander sehr verschieden, der Schriftsprache sämmtlich opponiren. Keine große Stadt, kein Centralpunkt des Volkslebens wirkt verbindend uud bestimmend auf alle verschiedeuen Gegenden. Deshalb wird es der deutschen Schriftsprache sehr schwer, den Volkshumor zu