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Styl und Schriftsprache der Deutschen : ein Wunsch.
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Styl und Schriftsprache der Deutschen.

Ein Wunsch.

Das geistreiche Spiel, aus der Handschrift eines Menschen ans seine Per­sönlichkeit zn schließen, hat zahlreiche und eifrige Freunde. , Weit lohnender erscheint es mir, ans den geschriebenen Worten selbst Schlüsse auf Geist, Charakter und Eigenthümlichkeiten der Schreibenden zu machen. Auch hierzu gehört einige Uebuug, aber viele einzelne Bemerkuugeu springen schuell in die Augeu. Es ist iu der Regel leicht, den Styl gewisser Berufsclassen zu erkennen, immer vorausgesetzt, daß die Schreibeudcn das sind, was wir unter der schwer zu defiuirendeu Bezeichnung: gebildete Menschen verstehen. Leicht erkennt sich der Beamte, der Kaufmann, der Redner, die Frau, aus der Art der Satzbil­dung, aus Lieblingswörtern n. s. w. heraus. Der Beamte von juristischer Zucht ist gewöhnt das Für und Wider abzuwägen, das Urtheil ans Jndicien uud das Recht aus den Gegeusätzeu zu finden. Daher gebraucht er mit Vorliebe die Bin­dewörter in langen, vieltheiligeu Sätzen, in denen er die Gegensätze einander gegenüber stellt, .die Einzelnheiten in logischer Ordnung zusammen faßt, uud an lauge gegliederte Vordersätze, die Entscheidung des Nachsatzes scharfsinnig ' an­knüpft. Der gebildete Kaufmann schreibt eilig, aber sehr genau, seine Gedanken sind fest ans ein Ziel gerichtet, er stellt kurze Sätze hinter einander uud summirt sie kräftig zusammen. Der Redner, gewöhnt im Fall und Klang der gesprochenen Worte Behage» zu empsiudeu, ist auch in der Schrift wortreich, liebt Paralell- sätze, scharfe Antithesen, Inversionen, Wiederholungen ähnlicher Vorstellungen in verbundenen Wörtern mit rhetorischem Fall. Er Pflegt einen Satz an den vor­hergehenden anzuknüpfen durch die hoslicheltz Bindewörter.-zwar, obgleich uud das Lieblingswort seiner Nachsätze ist das oppositionelle aber, durch welches er die Weisheit der eigenen Meinung heraushebt. Die Frauen haben nnr wenig Bindewörter zur Verknüpfung der Satztheile, aber diese gebrauchen sie eifrig; in ihrem Bestreben, recht viel vou dem wieder zu gebeu, was sie lebhaft empsiudeu, aber in der Sprache mehr anzudeuten als darzustellen gewöhnt sind, benutzen sie zahlreich und unmäßig die schmückenden Prädicate. Nur selten haben sie den Muth, durch Inversionen, Auslassungen des Uud uud des Artikels, und durch kurze Sätze dramatisches Leben, Energie und raschen Fluß in ihre Satzbildung zu bringen u. s. w. Dies und Aehnliches zu beurtheilen, sind wir Alle gewöhnt.

> Es ist auch nicht schwer, aus dem Styl des Schreibenden den-Charakter der Zeit zu erkennen, in welcher er geschrieben, und deu Charakter des Volkes, aus. welchem er hervorging.

Leicht findet man in dem modernen französischen Styl dieselbe Volksseele wieder, welche wir als das ausregende Element im politischen Leben Europas seit mehr