Beitrag 
Herr von Manteuffel ein verkappter Demokrat : preußischer Brief.
Seite
248
Einzelbild herunterladen
 

248

Es sei daher möglich, sie von zwei ganz entgegengesetzten Standpunkten aufzu­fassen, und er müsse offen erklären, daß er nur in dem Sinne für sie thätig sein wolle, das conservative Princip zu verstärken, das liberale dagegen, von welchem sie ursprünglich ausgegangen, aus allen Kräften zu bekämpfen. Daß dies in der That möglich ist und daß eigentlich in dem ganzen Staat keine einzige Partei sich findet, welche den Gesammtinhalt der Verfassung zu dem ihrigen macht, ist ein übles Zeichen für ihr Fortbestehen. Freilich ist es nicht gering anzuschlagen, daß wenigstens ein geordneter Weg gebahnt ist, den Streit der Principien auszufechten.

Aber so viel ist gewiß, daß diese Verfassung, die in einer ihrer wichtigsten Be­stimmungen, der Pairskammer, ein Provisorium in ganz anderem Sinne bestehen läßt, als man.ursprünglich beabsichtigte, denn die Fortdauer des Wahlgesetzes vom 5. December für die erste Kammer war nur dem Namen nach ein Proviso­rium, iu der That aber ein Definitivum, da eine weitere Reform der Verfassung ja in allen Punkten dem Willen der Kammer anheim gegeben ist, während der jetzige Entwurf durch das Hinausschieben seiner Ausführung nur dem Namen nach ein Definitivum gibt daß diese Verfassung, welche die Gegensätze zwischen Will­kürstaat und Rechtsstaat nicht vermittelt, sondern roh dnrch einander mischt, Preu­ßen nicht in die Lage setzt, an die Spitze eines Bundesstaats zu treten. Es wäre das auch der herrschenden Partei, die, soweit man die Wahlen übersehen kann, auch auf dem Reichstage die bedeutende Majorität haben wird, durchaus zuwider. Bei ihrem Bestreben, den Unterschied der Stände in möglichster Fülle zu entfal­ten, liegt es ihr vor Allem daran, die kleinen Fürsten zu erhalten; sie macht sich über die politische Bedeutung derselben keine Illusionen, aber sie denkt, die Menge muß es bringen. Je mehr Fürsten, desto mehr Plätze für den Adel, desto mehr Nahrung für den Unterthanengeist. Außerdem kommt es ihr gar nicht darauf an, Preußen zu einem wirklich unabhängigen, oder gar durch den Liberalismus Klein» deutschlands ergänzten Staat zu machen. In beiden Fällen wäre der Sturz des Absolutismus gewiß. Preußen soll vielmehr die alte Pietät gegen Oestreich, d. h. die alte Abhängigkeit vom Wiener Kabiuet, bewahren. Auch iu diesem Sinn steht Herr von Manteuffel, der, wie ich glaube, auf seine Weise ein wirklicher Patriot ist, mit den Demokraten auf Eii.er Linie; sie werden düpirt von einer Partei, die sie ausbeutet, um sie nachher bei Seite zu werfen. Freilich wird man den Reichs­tag benutzen, nicht um eine neue politische Organisation zu gründen, sondern um in den betheiligten Staaten dnrch die Idee der Uniformität dasjenige Maß kon­stitutioneller Freiheit einzurichten, dessen sich Preußen durch seine Verfassung erfreut; und das ist vielleicht der einzige Grund, der unsere Partei zu einer regen Theilnahme zwingt, nm wenigstens größeres Unheil abzuwenden abzuwenden, daß die sogenannte Revision der Reichsverfassung zuletzt zu einer Revision des constitutionellen Prinzips überhaupt führt.