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v.itismus bedingt, Reformen will man, gewaltsame Revolutionen haßt man sehr. Ebenso ist man hier überwiegend deutsch gesinnt und mißbilligt die partikularisti- sche Tendenz des Ministeriums Stüve entschieden, obgleich man dabei wieder gerecht und leidenschaftslos genng ist, um die vielen guten Eigenschaften desselben richtig zu würdigen. Er ist hier immer noch ein sehr populärer Mann, der bedächtige Norddeutsche vergißt nicht so leicht alte Verdienste.
Trotzdem kann man überall sehr strenge Urlheile über die jetzige hanuöversche Politik hören, die nicht mit leidenschaftlicher Heftigkeit oder maßloser Tadelsncht, sondern mit ruhiger Klarheit, ja oft mit sichtbarem Schmerz vorgetrageu werden. Die meisten Beamten, ein großer Theil des Offiziercorps (der Infanterie) empfindet tief die mehr als zweideutige Rolle, welche Hannover jetzt in der deutschen Angelegenheit einzunehmen verdammt ist. „Und weun wir uns jetzt noch nicht anschließe», so ist doch der König Ernst August 78^ Jahr alt und am ersten Tage nach seinem Tode geschieht dies gewiß auf ein oder die andere Weise." Dies hört man an den Elbe- nnd Wesermündungen sehr oft. Preußen ist hier im Norden, zwar nicht geliebt, aber geachtet, um die Verbindung mit Oestreich kümmert man sich hier wie überhaupt in allen norddeutschen Küsten-Ländern gur nicht. Wenn der König Ernst August liebt, als Greis noch die bnnt- beschnürte Husareujacke seines östreichischen Regimentes (was beiläufig gesagt, den Obersten Ernst Graf Kiß an der Spitze, ganz und gar aus Seiten der Ungarn kämpfte) zn tragen, und an Haynau seinen höchsten Orden gibt, so hat dergleichen im ganzen Land, einige Dntzend Hocharistokraten abgerechnet, keine andere Wirkung, als ein langsames Kvpfschütteln. Grade die Hvfaristvkratie ist jetzt auch über Stüves Gesinnung hoch erfreut, ja sie vergibt ihm fast schon seine bürgerliche Abkunft uud seine anderweitige treffliche, an guteu Reformen reiche Verwaltn».^ Auch der alte König ist jetzt mit diesem Minister, der ihm früher so vielen Verdruß gemacht hat, sehr zufrieden. Soll er doch nenlich z» demselben bei einer Hoftasel in seinem gebrochenen Deutsch gesagt habe«: „Sie muß noch heirathen, Stüve, daß ich bald noch mehr solch kleine Stüve bekomme."
Uebrigens ist der alte König in seinem Lande durchaus beliebt, gradezu ein populärer Charakter, namentlich bei den Landbewohnern. Er ist doch wenigstens ein fester Mann, man weiß, was man an ihm hat, uud dies ist in jetziger Zeit schon Manches werth. Dann hat er auch den Bauern mehrfache Erleichterungen verschasst. Der frühere Viceköuig, der Herzog von Cambridge war ein sehr gutmüthiger und wohlwollender, aber schwacher Manu, unter dem zuletzt eiue furchtbare Unordnung und Saumseligkeit in allen öffentlichen Geschäften eingerissen war. Jeder Beamte that so ziemlich was er wollte, und mit einer hannöverfche» Behörde zu verhandeln, konnte in Verzweiflung bringen. Da hat denn der jetzige Herr in ftincr raschen, entschiedenen, oft freilich despotischen Weise, tüchtig durchgegriffen und das Landvolk, was den Nutzen hiervon hat, dankt ihm dies sehr. Ist der