Contribution 
Zur antiromantischen Literatur.
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Schärfe und Sicherheit zerlegte, wie es nur einer verwandten und doch im inner­lichsten Wesen entgegengesetzten Richtung möglich ist. Denn die Form seines Pht- losophirens hatte er mit der Schule gemein, oder vielmehr sie hatte es ihm ab­gelernt; noch in keinem System war das Ich mit einer so grandiosen Freiheit mit der NatUr und Gott umgesprungen. Aber sein Ziel war nicht die ironische Freiheit des Geistes, die Wirklichkeit zu einer Phantasmagorie der Seele hcrab- znsctzeu; ihn trieb die Sehnsucht nach einem festen, sittlichen Inhalt, uud in der Freiheit sah er nur die Fähigkeit und die Verpflichtung, das eigene Wesen mit uneudlicber Hingebung dem sittlichen Geiste zu opfern. Damals waren die un­sittlichen Dvctrinen der Schule uvch eine Paradoxic; das moralische Pathos der Philosophen Kaut, Fichte, Jacobi sprach nnr bestimmter aus, was mehr oder minder bedingt der ganzen Welt als Glaubensartikel galt.

Als aber die Jahrbücher (1840) in demselben Eifer sittlicher Gewißheit das Manifest desProtestantismus" gegen die Romantik erließen, war bereits die gestimmte Literatur von dem Gift dieser dilettantischen Ironie so zerfressen, daß die Opposition der Sittlichkeit geradezu als eine Opposition gegen den herrschen­den Geist der Zeit erschien. Der Ernst und die Schonungslosigkeit dieser Pole­mik ist nicht genug anzuerkennen, wenn man es sich auch mit der Charakteristik ziemlich leicht machte. Echtermayer hatte ein scharfes Auge für die einzelnen Aeu- ßeruugen des romantischen Wesens, Rüge gab diesen Anschauungeu die witzige uud elegante Form. Es wurde» vou jedem der Romantiker ein Paar charakteristische Züge erzählt und dann dem PMiknm zugerufen: Siehe, diesen Unsinn hast Du als Evaugclium, diese Unsittlichkeit als höhere sittliche Idee gefeiert! Schäme Dich Deiner Thorheit und bessere Dich. Der Witz war überall schlagend, und was den Schilderungen an Gründlichkeit abging, ersetzte der Ernst, mit dem man das eigene sittliche Princip festhielt. Rüge hat später sehr Unrecht daran gethan, diese polemischen Fragmente zu einer literarhistorischen Monographie zu erweitern. Als solche sehen sie dürftig und ungenau aus.

Gervinus steht in seiner Behandlung der romantischen Schule ungefähr auf demselben Staudpuukt des sittlichen Pathos, wie Rüge, nur daß seine concreten historischen Anschauungen den Inhalt seiner Ueberzeugungen bestimmter begrenzen, als es bei dem revolutionären Philosophen der Fall ist. Seine Darstellung macht einen unerfreulichen Eindruck; da er nnr den poetischen Theil der Literatur be­handelt und Philosophie, Geschichte, Rechtswissenschaft, Theologie u. f. w. bei Seite läßt, so fehlt für die wunderliche» Apercus der Schule vollends aller Leit­faden. Ueber ihre negativen Seiten wird man zwar hinlänglich in's Klare gesetzt, über ihre relative Berechtigung, ihren Znsammenhang mit der übrigen Kultur- Entwickelung erfährt mau wenig. Erfreulich ist in dieser Polemik nur die uner­bittliche Strenge gegen das unsittliche uud unkünstlerische Wesen der Schule.

Bei der Werthlosigkeit des Gegenstandes sollte es nun scheinen, als thäte man