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Beschäftigung des Stiefelputzers mit dem langathmigcn Pathos einer tugendhaften oder teuflischen Idee nicht recht in Harmonie steht, und weil die Lokalkeuutniß eines Domestiken zu sehr ins Detail geht um einen Blick in den Zusammenhang des Universums oder in die Tiefen eines ungewöhnlichen Herzens annehmbar zu machen. Sue's Martin und Sonlie's Graf v. Toulouse sind die schlechtesten Muster dieser providentiellen Komödie. Viel besser ist es schon, Meister Lucifer zum Maschinisten zu machen, wie Sonliv einmal in vielen Bänden gethan, denn der Teufel hat das meiste Geld, die meisten Couuexionen, und wenn alle Stricke reißen, so kann er hexen; für ihn paßt auch jeues Motiv am besten, das diese sentimentale Nomantik als letzte Feder anzuwenden liebt, das Motiv einer auf viele Jahre hinausgesponuenen Rache, wie bei Homodei, Moutechristo, Gras von Toulouse u, s. w., das leerste und abgeschmackteste Motiv für einen vernünftigen Meuschen. —
Die letzte Charaktermaöke ist der Bonvivant von Adel und ritterlicher Gesinnung. Hier finden wir uns endlich auf nationalem Boden. Der Geschmack der Celtisch-Romcmischen Ritterbücher hat sich uicht verändert. Eben so bereit, in jedem Äugenblick mit einem Dutzend Riesen oder Philister die Klinge zu messen, als in verzweifluugsvvllen Attitüden zu den Füßen eiuer spröden Marquise sich zu bewegen, wenn es aber zu lange dauert, mit dem ersten besten Ersatz vvrlieb zu nehmen; dem Dienst der Schönen geweiht mit jeuer Galanterie, die neun Zehntel Esprit mit einem kleineu Zehntel Liebe verbindet; rasch auflodernd in Zorn und bei dein ersten Witz alle Bitterkeit aus dem Herzen werfend; sehr viel Schulden und sehr viel Ahnen; ein Pär dem Monarchen gegenüber und ein guter Gesell in jeder Trinkstube — das find die Eigenschaften des Edelmanns, wie wir sie in Froissard, in Calderon, in sämmtlichen Memoiren seit den Zeiten Ludwigs XIII., in neuerer Zeit in deu Romanen von A. Dumas mit immer gleicher Virtuosität und Sicherheit gezeichnet finden. Die Stichworte sind so genau gegeben, daß eine Verirruug nicht möglich ist; der Kanon der Liederlichkeit ist fest wie die Convenieuz des Ritterthums. Es kommt nur darauf an, wer erstnderischcr und liebenswürdiger im Lügen ist. Victor Hugo merkt man es au, daß ihm die Jagdgeschichten ii I.t Müuchhausen nicht natürlich fließen; er ersetzt die fehlende epische Ader durch epigrammatische Pointen. Wenn z. B, Saveruy, um seine Sorglosigkeit auszudrücken, als ihm das Todesurtheil vorgelesen wird, die Feder nimmt, um einige orthographische Fehler heraus zn corrigiren, so springt die Absicht zu sehr in die Augen, als daß man sich befriedigt fühlen könnte. Die einzige originelle Figur unter seinen Chevaliers ist Don Cesar de Bazan in Ruh Blas; ein Edelmann, der sein großes Vermögen verschwendet und dann durch Trunk und Spiel so tief gesunken ist, daß er sich nur in dem gemeinsten Pöbel bewegt, an Diebstählen Theil nimmt u. s. w., der aber doch das ?oint ä'twnuour des ritterlichen Katechismus so fest in sich trägt, daß es nur guter Kleider bedarf, um