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Der Ungar schreibt besser als die deutschen Geschichtsschreiber Ungarns. Ein zweites Heft bringt gewiß authentische Aufschlüsse über die jüngste Vergangenheit.
Das unter Kvssuth's Namen aus Widdin datirte Schriftstück ist mathematisch ein eben solches Falsum wie seine Ausprache dort. Erst wenn er in London eintreffen kann, ist aus seiner Feder eine Besprechung der Revolution zu erwarten.— Auch Szemere (in Paris, unter Kossnth Minister) arbeitet an einer Geschichte der Jahre 1848 u. 1849, und diese Bücher werden den Herren Frey, Schütte, Chow- nitz und Consorten manch unliebsames Dementi geben.
Wir Kleindeutschen.
Mit Roß und Mann ist die Jnterimscommisston in der Mainstadt eingezogen und hat sich auf den Aktenstößen des verstorbenen Neichsministeriums gelagert. Kurz und kühl war der Abschied des Erzherzogs von seiner undankbaren Stellung, sehr hölzern die offiziellen Phrasen, welche die scheidende und die ueue Autorität mit einander tauschten. Das deutsche Volk aber sieht den kaiserlichen Prinzen ungefähr mit derselben Empfindnng scheiden, mit welcher man im Privatleben ein zartes Verhältniß auflöst, welches sich beiden Theilen als unpassend, lästig und drückend schon lange fühlbar gemacht hat. Ein wenig Beschämung, ein wenig Rene und eine große Erleichterung der Seele! Die »cne Centralgewalt dagegen genießt das zweifelhaste Glück, der Neigung des Volkes keine Täuschungen bereiten zu können, denn kein gemüthliches Verhältnis; besteht zwischen ihr nnd der Nation; im Gegentheil, ihre Thätigkeit wird zwar mit Spannung, aber mit allgemeinem Mißtrauen beobachtet. Sie ist dem Herzeu des Volkes so fremd, wie eine Zusammenkunft indianischer Häuptlinge. Und in Vielem ist sie einer solchen ähnlich. Es ist ein alter Streit um das Jagdgebiet zweier Stämme, und die erwählten Gesandten beider Parteien rauchen jetzt den Calumet des Friedens und begrüßen einander höflich und ritterlich mit den häufigen Worten : „mein Binder spricht weise," im Innern aber tragen sie das Gefühl des alten Gegensatzes und ihr Auge fliegt verstohlen vom Antlitz des Gegners abwärts nach dem Schwert an seiner Seite.
Aber freilich, freilich, es ist kein fremder Jagdgruud, um den die Krieger verhandeln, es ist unser Heil und unser Geschick, das in ihrem Streit entschieden werden soll. Schon ist eine große deutsche Angelegenheit vor ihren Rath geschleppt worden. Der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin hatte eiue Constituante zusammengerufen nnd mit ihr eine freisinnige Verfassung für sein Land berathen, welche im letzten Jahr an die Stelle der alten unbehilflichen F^udalinstitnte getreten war. Die Ritterschaft von Mecklenburg hat dagegen protestirt, weil ihr dadurch alte Rechte genommen werden, der Großherzog aber hat aus ihren Protest keine Rücksicht genommen; da hat die Ritterschaft ihre Klage über den Verwaltungsrath und das Schiedsgericht des engern Bundesstaats hinweg nach Frankfurt vor'das Interim getragen, weil die Entscheidung über den Rechtöfall in die Kompetenz desselben falle. 'Preußen hat es für zweckmäßig gehalten, dagegen keinen Einwand zu erheben und hat den Großherzog ersucht, vorläufig, während der Rechtsstreit schwebe, mit der Durchführung der neuen Verfassung einzuhalten; Oestreich, welches eifrig jede Gelegenheit benutzt, im Terrain des Bundesstaats seine Stimme zn erheben, hat, wie berichtet wird, dasselbe gethan. Vom Standpunkt des formalen Rechts war die Erinnerung Preußens, welches jetzt einer der