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muntern. Die politische Satyre sei die einzige zweckmäßige Form der neuen Dichtung.
War es nun dieser Rath, oder lag es in der Natur der Sache, in dem stillen Zauberschloß der Poesie wurde es auf einmal laut wie in einem Feldlager. Die Flöte wich der Trommel und der Querpfeife, und selbst wenn man die alten Ländlermelvdien nicht lassen konnte, so wurde ein neuer, heroischer Text eingeschwärzt. Das Lied ermunterte sich selber, nicht mehr Lied zu bleiben.
Laßt, o laßt das Verseschweißen! Auf den Amboß legt das Eisen, Eisen soll der Heiland sein.
Die Poesie wird immer nur der heimlichen Welt des Gemüths einen Ausdruck geben. Es war auch mit der ueuen Janitscharenmustk nicht anders. Wer sich von dem Lärm der Pauken und Trompeten nicht übertäuben ließ, konnte recht wohl die Melodie des alten Sehnsuchtswalzers wieder herauserkennen. Sonst hatte sich das junge Herz darüber gequält, ob es denn auch dem lieben Schatz mit den kastanienbraunen Locken gefallen, ob es denn hoffen dürfe, eines schönen Morgens an der Seite, oder wenn es bescheidener war, zu den Füßen der Angebeteten in dem Entzücken befriedigter Liebe schlagen zu dürfen; jetzt fragte es sich zwischen Hoffen und Bangen, ob es denn auch wohl groß geuug sei, in den lebhafteren Regungen des Tages vernehmlich zu bleiben. Dem alten Bild der „ersehnten" Geliebten wurde ein neues Costüm angepaßt; man drückte ihr einen Lorbeerkranz in die dunkeln Locken, warf ihr einen blutrothen Shawl über die weißen Schultern, gab ihr ein Theaterschwert in die Hand, und taufte sie: die Freiheit.
Freiheit, die ich meine, Die mein Herz erfüllt, Komm mit deinem Scheine, Süßes Engelbild.
Die jungen Liebhaber glaubten ihren Beruf vorzüglich dadurch bethätigen zn müssen, daß sie gegen die alten Poeten ver Nacht, der heimlichen Liebe und des Mondscheins eine gründliche Verachtung an den Tag legten. Sie übersahen dabei, daß der Gegenstand, auf welchen sich Empfindungen beziehn, den Werth derselben nicht bedingt; daß Bilder vom „Völkerfnchling," von dem „brechenden Sonnenauge der Freiheit," von dem „blutigen Morgenroth der Zukunft," durch die angedeutete Beziehung auf große Begebenheiten, die man zn erwarten habe, noch keine innere Kraft, Fülle und Lebendigkeit gewinnen; daß ein Lied nicht durch seiuen Hintergrund, durch die Anspielungen auf etwas außer ihm Liegendes, sondern durch die Macht und Jntensivität der Empfindung getragen wird, und daß diese Kraft sich in subjectiven Beziehungen eben so mächtig entwickelt, als in dem Hinblick auf allgemeine Augelegeuheiten, ja daß die letzteren erst dann einen lyrischen Ausdruck verstatten, wenn sie sich in einer subjectiven Beziehung dar-