Beitrag 
Die strenge Sonntagsfeier in Preußen.
Seite
1035
Einzelbild herunterladen
 

1035

welcher übrigens im Ganzen betrachtet den Umsatz von sehr großen Sum­men darstellt;, er ist natürlich nnd nothwendig, denn der kleine Landmann hat keine Zeit in der Woche nach der Stadt zn gehen oder zu schicken. Wie soll er sich alle diese guten Sacheu nach seines Herzens Begehr auswählen und erwerben, wenn nicht am Sonntag? Die administrativen Behörden Prenßenö haben seit langer Zeit eine besondere Vorliebe für das Verbot dieses sonntäglichen Verkehrs gehabt, und die Magistrate der kleinen Städte waren sicher, daß von Zeit zu Zeit ein fulminantes Gebot der Bezirks-Negierungen einlief, die Kauf­läden am Sonntag geschlossen zn halten; woranf gehorsamst zurückgeschrieben wurde, die Sache sei uicht ausführbar, und die Ansführuug wäre außerdem ein großer Nachtheil für die Stadt; worauf von der Negieruug replicirt wurde, es müsse doch geschehen, denn die Heiligkeit des Sonntags leide durch die offenen Läden; worauf vom Magistrat wieder gehorsamst bemerkt wurde, es gehe aber doch nicht, worauf die Regierung iu eiuem Eudrescript vornehm murrte uud sich so lauge zufriedeu gab, bis dieselbe dramatische Action wieder losging. Das war freilich in der guten alten Zeit, wo Preußen noch bureaukratisch regiert wurde. Da aber jetzt die Freiheit gekommen ist, steht zu fürchten, daß die tyrannische Be­vormundung durch die Negieruugen ärger werden wird.

Wenn sich so schou im kleinen Verkehr des Tages der obrigkeitliche Befehl einer strengen Sonntagsfeier als mißlich herausstellt, und dringend zu warnen ist vor schädlichen und uuansführbareu Verboten; was soll man zn dem abenteuer­lichen Project sagen, Posten und Eisenbahnen am Sonntag zn suspeudiren! Wenn im Ernst eine deutsche Negierung so etwas versuchen wollte, köuuteu ihre Geguer sich freuen, denn es gäbe keine Maaßregel, welche mehr geeignet wäre, sie den Bürgern ihres Staates verhaßt zu macheu. Es ist möglich, daß ein isolirtes Land, welches, getrennt von den übrigen, iu sich abgeschlossen daliegt, diese Art von Sonntagsruhe beobachtet, weuu nämlich, wie iu Euglaud, alte Sitte ist, den Sonntag mit finstrer Gravität zn begehen; aber es wäre uuveruüuftig, Gleiches in eiuem Staat eiuzurichteu, welcher vou alleu Seiten durch Posten uud Eisen­bahnen mit den Nachbarstaaten verbuudeuM, iu Haudel, Industrie und Verkehr überall mit dem Ausland zn concurrire!! hat, uud außerdem Bürger von fröhli­cherem Gemüth besitzt, welche es für einen guteu Brauch halteu, sich am Nach­mittage mit ihrer Familie durch den Dampfer in die freie Natur fahren zu lasseu. Wenn z. B. Preußen dieser Staat wäre, so würde zuuächst iu allen Branchen des Geschäftes große Verwirrung entstehen. Sämmtliche Geschäftsbriefe bliebeu im Felleisen von Souuabend zu Moutag ohumächtig, regungslos auf den Sta­tionen da liegen, wo sie zufällig der Sonntag festgezanbert hat; ihre Beförderung wird um weuigsteus 24 Stnuden verzögert! Das wäre jetzt ein großes Unglück! Schon der Geschäftsbrief, welcher Souuabeud Abeud am Ort der Adresse ankommt, wird erst Montag ausgetragen, aber der, welcher am Sonnabend Abend aufgegeben

130"