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Die strenge Sonntagsfeier in Preußen.
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das ruhige und ernste Behagen an sich und am Festtag, welches ihm unter den Kameraden Selbstschätzung und Haltnng geben müßte, fehlt ganz; er genießt seine Freiheit unmäßig, wie ein entlaufener Sklave, und findet am nächsten Morgen in dem hastig ausgeleerten Becher des Genusses die Neue, uicht die frohe Er- iuueruug. Jhu hat der Souutag uicht gekräftigt, soudern schwächer gemacht.

Den Sonntag, den ganzen Sonntag soll der Arbeiter feiern. Er soll ihn feiern ans gute deutsche Weise, uicht in puritauischer Stille, wie die Eugläuder, souderu iu der rechteu Mischuug vou stillem Ernst nnd fröhlichem Treiben, so will es unsere Natur uud Sitte, uud die svll uuö Niemand ändern. Wollte eine deutsche Regierung am Souutag Nachmittag die Wirthshäuser schließeu nnd den Tanz verbieten, sie würde ihren Bürgern dadurch eiu größeres Weh bereiteu, als sie wieder gut macheu köuute. Die Meuscheu würdcu dadurch weder besser noch kräftiger werden, wohl aber muthlos, mürrisch uud aufsätzig. Aber auch die schlechte Gewohuhcit vieler Haudwerker, am Vormittag zu arbeiten, wird eine verständige Negiernng durch directes Verbot uicht abschaffen. Sie kann den Schmied verhindern Lärm zu macheu, aber sie darf dem Schneider, dem Schuster nicht inquisitorisch iu das Juuere der Häuser uachspüreu. Außerdem hat sie sich sehr zu hüten, daß sie durch eiue falsche Souutagspolizei uicht auch wahrhaftem Bedürfniß des Volkes eutgegeuarbeitet. Denn in diesem Fall wird ihre Thätig­keit nicht nnr ungerecht, sondern anch vergeblich sein.

Es hat sich uämlich iu deu meisteu Gegeudeu Deutschlands, znmal in preu­ßischen Provinzen, ein bestimmter Theil deö kleinen Geschäftsverkehrs aus guten Grüudeu am Sonntag so festgesetzt, daß er gar nicht fortzuschaffen ist; dies ist der wichtige Verkehr des flacheu Laudes mit den Städten, wohl auch der Dörfer nuter ciuauder. Die Laudleute der eiugepfarrten Dörfer pilgern am Sonntag früh nach der Kirche der Provinzialstadt oder des Pfarrdorfes; oft haben sie in ärmeren Gegenden zwei Meilen und darüber zu gehen, und die Familie macht sich iu solchem Fall bei anbrechendem Morgen auf deu Weg. Nach dem Gottes­dienst bcnntzt der Laudmauu seine Anwesenheit in der Stadt oder dem großen Kirchdorf, die Bedürfnisse seines Haushalts eiuzukaufeu: Eiseuzeug, Tuch, Kattun, Stiefelu, Colouialwaareu, Töpferarbeit waudcrt im Korbe der Fran nnd an der Hand des Mannes in das entfernte Dorf znrück. Deshalb erwartet der Waa- renkanfmann ungeduldig das Eude des Gottesdienstes, seinen Laden zu öffucu, nnd der Meister trägt mit schnellem Schritt sein Gesangbuch aus der Kirche iu die Wohuuug zurück, weil er Aussicht hat seiue Kuuden vom Lande zu empfangen. Nach Mittag ziehen ans allen Feldwegen, welche wie Radien von der Stadt in die runde Welt führen, die Bäuerlein zufrieden nach Hause, Gottes Wort im Gedächtniß, eiue gute Senseukliuge iu der Faust, zwei Stiefeln und ein Bündel mit Cichorieudüteu, Gewürz uud Heringen am Stocke, welcher militärisch ans der Schnlter liegt. Nur eiu Thor kauu gegen diese Art von Kleinhandel eifern,