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In Frankreich fand der große Cardinal Richelieu noch Mnße, eine dritte unbesiegbare Macht, das Tageblatt, zu schaffen. Er erlaubte dem Arzte Theophil Nenaudot, die Nachrichten, welche die Eminenz für die Oeffentlichkeit für passend hielt, täglich drncken zn lassen. So entstand das erste Tageblatt Frankreichs unter dem Patronat feines despotischesten Ministers.
Nach seinem Tode wurde sie übermüthig und feierte ein wahres Carneval. Das Hauptquartier der Presse war damals der Pont-neuf. „Man verkaufte die Blätter," erzählt eiu Zeitgenosse, Gabriel Naud6, „ganz frisch von der Presse, wie Pasteten frisch aus dem Ofen. Es war ein hübscher Anblick, die Verkäufer um dieselbe Stunde, wo mau iu Rom das Frühstück für die kleinen Kinder verkaufte, durch die Straßeu laufen zu seheu." Die giftigsteu waren am raschesten verkanft. Von dieser Art waren: I^e cls pieä mr Naxarin, Iu Lomdanee äs la ^ranee, la LomMInle 6e ees Venioise!1e8. Alle Welt schrieb welche, Brus- cambille uud Gauthier Garquille, die Histrioneu des Pont-ueuf uud die Bäukel- säuger auf den öffentlichen Plätzen, die Kellnerinnen und die Druckerjungen, von denen eiuer in einem Tage sechs Stück schrieb und drnckte. Manche riefen ihr eignes Blatt auf der Straße aus. Die Kö'chiu eiues Buchhändlers schrieb welche, wie Gabriel Naudv erzählt, nachdem sie ihre Töpfe gescheuert uud ihre Löffel gewaschen hatte. Diese Schriftsteller uud Schriflstelleriuuen in der- Ledermütze und der Kücheuschürze ließen ihre schönen Sachen bei den Druckern des Q-uatier latin drucken. Scarron uud Mariguy verpflichtete;: sich, für eine Pistole die Woche eine Presse zu beschäftigen. Drei Franken für die Doppelseite in Quart, vier Livreö tonrnois sür ein Hauptwerk war der feste Preis.
Iu Frankreich folgte auf das Carneval der Presse währeud der Zeit der Froude eiue lange Buße in Sack und Asche unter Ludwig XIV. In England dagegen war es umgekehrt; hi-er führte die Tyraunei der Regierung zur Preßfreiheit.
Unter den Regieruugen Jacob's I., Carl's I., Cromwell's, Carl's II. hatte die Zeituugspresse im Ganzen ein bescheidenes und schüchternes Leben geführt. Nur die calvinistische Presse hatte blutige Kämpfe zu besteheu. Jacob I. schonte sie nicht; gegen- Cromwell schützte sie uicht die Vertheidigung Milton's. Die Sternkammer ließ ihr Henker gegen sie los; Carl II. seine Nichter; Alles war vergebens — es regnete puritanische und katholische Flugblätter. Man versuchte jetzt die ganze Presse zu confiöciren und dem Könige das Monopol des Drückens zu verschaffen; die Kroujuristen bewiesen auf das Klarste, der Titel Buchdrucker „sei eine der uuvergäuglicheu und unveräußerlichen Zierden der Krone." Es half Alles nichts. Mit einer unwiderstehlichen Elasticität erhob sich die Presse immer wieder, uud beschützt durch diese Kraft giug die Zeituugspresse, allerdings noch in bescheidener Gestalt und unregelmäßig crscheineud, aber sicher ihren Entwickelungsweg fort.
Wie weit damals die Tyrannei gegen die Presse ging, zeigt das Schicksal