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der Mannschaft verschiedener Waffengattung oder Regimenter, oft auch desselben Bataillons. — Dieser Regimentsparticularismus, ein wahrer Mikrokosmus des StaatSparticularismnö, geht in Baiern sehr weit. Am großartigsten entfaltete er sich in den letzten Iahren, und namentlich eclatirte er auf eiue die Existenz der ganzen Armee in Frage stellende Weise ans dem viel besprochenen Lager bei Donauwörth im Mai 1849. Dort waren altbairische uud fräukische Truppen fast in gleicher Anzahl versammelt. Die Franken hatten als augenblickliche Form des undisciplinirten Geistes, der durch die Bewegung von 48 in der Armee naturgemäß sich sehr üppig eutfaltet hatte, die Demokratie gewählt, die Altbaiern, an und für sich nicht weniger undiöeiplinirt, waren wenigstens in ihrer Loyalität für die blauweiße Fahue uicht wankeud gemacht wordeu. Bei beideu Theileu steigerte sich dnrch die Vereinigung die Stimmuug bis zur Exaltation, uud währeud der eine Theil des Lagers von den loyalsten Liedern uud fortwährenden Vivats für König und Vaterland erscholl, sangen die anderen das Heckerlied uud stießeu auf die Republik Franken an, an der man damals auf deu riesigen Meetings zu Nürnberg zimmerte. Es kam so weit, daß sich beide Theile nach uueudlicheu Prügelu eiusteus zum Morgeugruß mit Flintenschüssen becomplimeutirteu, worauf deuu das gauze Lager sammt Köuig uud Köuigiu schleunigst anöeinanderging. Der Geist vou Douauwörth spukte währeud des gauzeu Jahres fort; die sräu- kischeu Regimenter, die zur Abwehr der Trennungsgelüste der Landschaft nach Nürnberg und Würzburg gelegt wurden, wären die ersten gewesen, welche sich uuter die rothe Fahue mit dem Silberbaud gestellt hätteu, weuu sie uur Jemaud hätte aufstecken wollen. Nach uud nach trat wieder die Metamorphose aus der Demokratie iu die gewöhnliche Ungezogenheit ohne bestimmte Losung eiu, iu welcher Phase sie sich gegenwärtig mit langsamer Weuduug zu eiuer Art von Ordnung befinden. —
Daß so geartete Trnppen im Felde für Frennd uud Feiud schlimme Gäste siud, ist leicht ersichtlich. Schon die verhältnißmäßig großen Ansprüche an Verpflegung uud Eruähruug, die sie uach ihrer häuslichen Gewöhnung zu macheu pflegen, müsseu im übrigen Deutschland unbequem werdeu. Denn wo wird in der Mitte uud im Nordeu vou dem gemeinen Manne uud den: Mittelstande so viel und so gut gegesseu uud noch mehr getrunken, wie es z. B. der Altbaier oder der Schwabe und Frauke iu seinem väterlichen Gehöfte gewohnt ist? Mit der Caserueukost läßt er sich natürlich im Felde nicht abspeisen. Daher schon deshalb überall bittere Klagen, wo Baiern, besonders Altbaiern, im Quartier gelegcu haben. Dazu kommt noch die so sehr lockere Disciplin, die in Verbindung mit der Charakteraulage der Mehrzahl dieser Soldateu sie zu ebeuso grobeu und unverschämten wie gefährlichen Gästen macht. Der Säbel ist bei ihnen ebenso schnell aus der Scheide, wie früher das Tascheumesser aus dem Ledergurt. Die Ofsiciere können nicht viel dagegen thnn, selbst wenn sie wollten, was gewöhnlich Grenzboten. IV. 1850. 113