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Ohnehin sind die polnischen Advoeateu unter den europäischen Advocateu die ärmste Classe. Ost entscheiden die Gerichte ohne alle Verhandlungen, ans den Macht- sprnch des Chefs des Gerichtshofs, oder auf Befehl eiues hohen Militärs, nnd dann hat der Advocat nichts zn thun; oft werden die Processe, weil sie dem Gerichtshof uuangenehm siud, verhindert, indem man es nicht zu eiuem Termin kommen läßt, nnd daun hat der Advocat ebenso wenig etwas zn thun. Immer aber ist das Verfahren so unmethodisch, verworren und leichtfertig, daß das ganze Geschäft des Advocateu iu weuig mehr als iu Ueberredeu und Unterhandeln besteht. Von den Bancrn oder kleinen Bürgern wird sast nie ein Rechtöanwalt zu Hilfe ge- zogen. Erfteuö habeu diese Leute keiueu Begriff vou seiner Bedeutnng, zweitens keine Mittel, seine Hilfe zu bezahleu. Daher werdeu Nechtsausprüche der Lellte ails deu uutersteu Volksclasseu kurz dllrch deu Anssprnch deö Oberrichterö, der in solchem Falle die Form eines Befehls hat, abgemacht nnd unverweilt die Executiou u. s. w. vollstreckt. Viel mehr als der Proceß beschäftigt den Advo- caten eine Art Agentur für die Edelleute; er besorgt dem Edelmauu, mit dem er gewöhnlich für eine bestimmte Zeit Contract geschlossen hat, alle Geschäfte, er verkauft seiue Heuvorräthe, verhaudelt das Getreide, Häuser, Gruudstücke, kauft eiu, was der Herr wünscht, und bekommt dafür jährlich eine bestimmte Summe, Getreide, Hafer, Hen, geräucherte Fleischwaareu u. dgl.
Diese Bemerkungen sollen deutsche Kolonisten und Geschäftsleute war neu. Sie ließeu sich durch eiue Meuge von auffallenden Beispielen unterstützen. Denn kaum lebt ein Deutscher in Polen, der nicht unheimliche Erfahrnngen gemacht hat. Ich will uur zwei Processe erzähleu, welche mir gerade ihrer Einfachheit wegen besonders lehrreich scheinen.
Der Widerwille der Polen gegen Handwerk nnd Künste, uud dazu die wachsende» Bedürfuisse der Bevölkerung, hatte einen großen Mangel an Handwerkern aller Art veranlaßt. Tuchweber fehlten iu früherer Zeit fast gäuzlich. Nur in Warschau uud Krakau befaudeu sich eiuige. Die Folge davou war, daß die Edelleute ihre Wolle, die im Lande nicht verarbeitet werden konnte, an das Ausland verkaufen mnßten. England nahm sie förmlich in Beschlag. Zur Zeit der Wollschur kreuzteu Schaaren von englischen Aufkäufern im Lande,' wie anch jetzt noch der Fall ist, nnd was sio bei ihren Handelsreisen übersehen oder nicht bekommen hatten, das siel dann auf den Wollmärkten in Warschau, Krakau, Plock u. s. w. iu ihre Häude. Die polnische Wolle ging über See nach England, ans England kam das fertige Tuch zurück, 'und die Polen bezahlten nicht blos die theure englische Fabrikarbeit, sondern auch deu Trausport ihrer eigeuen Wolle nach England nnd wieder zurück.
Dieses Mißverhältniß machten sich vor etwa zwanzig Jahren zuerst mehrere deutsche Kolonien zn Nutzen, legten ihre Wolle auf ein Gemeindelager nnd ließen aus dem Vaterlande Tuchweber zn sich kommen, denen sie Hütten und Feld schenk