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sonst alle ministeriellen Gewitterstürme ruhig über seinem altersschwachen Haupte ergehen läßt, eine Art zweiten Examens, und zwar in umgekehrter Ordnung, so zu sagen, eine Facultätsprüfung nach dem Staatsexamen, verordnet, in welcher erst der Beweis con- statirt werden soll, ob der neu ernannte Professor der Staatswissenschaften Ilse nach seinen Wander-, Lehr- und Meistersänger-Jahren auch wirklich noch etwas mehr verstehe, als Baumbach'sche Noten zu concipiren.
Die Gerechtigkeit erheischt jedoch dringend, daß wir nicht ganz diejenigen Freuude und treuen Anhänger des kurfürstlichen Ministeriums Hassenvflug außer Acht lassen, welche, ohne mit wichtigern Amtsfunctionen betraut worden zu sein, doch sich in ihrem Gewissen gedrungen fühlten, Zeugniß abzulegen vor der euthessisch'ten Welt. Von einigen Pastoren werden wir später Notiz uehmen. Außer ihnen haben sich für den unumschränkten Kurfürsten uud Hasseupflug öffentlich ausgesprochen in dieser Zeit des öffentlichen Aergernisses: ein Advocat in Heröfeld, der jedoch zu ernsthafte Abweichungen von der gewöhnlichen Beschaffenheit des menschlichen Geistes gezeigt hat, als daß wir ihn ernsthaft ausführen können; ein AmtSphysicus und ein „Privatförster, nicht Staatsförster". Letzterer närrische Kauz hat gewiß geglaubt, er allein wisse blos, daß sich zwar die bereits fnngirenden Bezirksdirectoren n. s. w. gegen Hassenvflug entschieden hatten, dagegen für ihn einige Andere, welche Bezirksdirectoren erst noch werden wollten. Endlich hat der bekannte Staatörath Scheffer die hinsichtlich des kurhessischen Urtheils über ihn ganz überflüssige Erklärung abgegeben, daß Alles, was im September und Octobcr geschehen sei, nach (bundestag-) menschlichem und (Vilmarisch-) göttlichem Rechte in vollständiger Ordnung sei.
Wie äußerst gering die Zahl der „treueu althessischen" Gesinnungsgenossen des Hassenpflug'schen Ministeriums im Militär, bei Ober- und Unterofsieieren, wie bei den Gemeinen gewesen ist, hat sich zum Schrecken der entsittlichten deutschen Staatsordner so klar herausgestellt, daß darüber, trotz aller infamen Lügen und untermenschlichen Gemeinheiten unserer officiellen Presse, gar nichts mehr gesagt zn werden braucht. Nur ein Theil des frühern Gardecorps, der einst durch eine unruhige Nacht dem deutschen Parlament einen unruhigen Tag gemacht, hatten auch nachdem man ihnen die weißen Waffenröcke aus - und die blauen Kurfürsthusarcnjacken angezogen hatte, den alten Grimm gegen Alles, was bürgerlich friedlich und civilrechtlich gesetzlich ist, treu bewahrt. Der Epauletteuausdruck dieser Gesinnung zeigte sich auch jetzt am ausgeprägtesten in eben dem Herrn von Zcrschucr, der auch in jener Nacht der Stalljacke eines Gardeducorps sich nicht abhold gezeigt hatte. Es ist im Uebrigen hinlänglich von der Tagesprcsse aus die Verwandtschaft der paar executionslnftigcn Lieutenants mit der Firma Hassenvflug und Baumbach aufmerksam gemacht worden, und ebenso darauf, daß es uus durch Umgehung aller Disciplinarordnung möglich geworden ist, auch uur die dürftigeu, in sich selbst immer wieder zusammensinkenden Versuche zur Durchführung des gerichtlich verurtheiltcn Kriegszustandes zuwege zu bringen. Man muß für die richtige Beurtheilung des spätern opferreichen, folgenschweren Schrittes fast des gesammten Officiercorps der kurhessischen Armee, dessen reine und echt militärische, vor jedem ehrenhaften Officier gewiß zu Recht bestehende Motive jetzt für jeden Unbefangenen klar vorliegen, selbst darauf aufmerksam zu macheu uicht unterlassen, daß doch selbst der in dem strengsten Disciplinarge- horsam ergraute, von Liebe und Treue zu seiuem Fürsten überfließende erste Oberbefehlshaber für den Kriegszustand, Generallieutenant Bauer, seine verfassungswidrige Function
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