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Correspondenz aus Wien.
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seinen Stimmzettel abzugeben, viel lieber die Michaeliszinse eigenhändig cingehoben hätte, prüft mit scharfem Späherblick die eingelaufenen Geldvorstellungszeichen in Ge­stalt papierner Lappen von allen Farben und Qualitäten, uud deukt mit Wehmuth an die schöne Zeit, da er noch Silberzwanziger durch seine dürren Finger gleiten ließ der Habsucht stündlich Nosenkranzgebet. Da reißt ihn mit einem Mal die Lärmtrompete aus seinen idyllischen Betrachtungen.Was? Krieg?" ruft er in gerechter Ent­rüstungjetzt auch noch Krieg mit Preußen?! Wo soll denn das Geld dazu her­kommen? Aus unserer Tasche etwa?? Jetzt haben wir Einkommensteuer, Verzehrungs- steucr, Grundsteuer, Häuscrsteuer, Kalcnderstempel, Tabakmonopol, Salzmonopol, frei­willige Zwangsanleihen; das Fleisch wird immer theurer, das Brod alle Tage kleiner; man bekommt keinen Zins mehr herein nnd das Wenige nur in Papier, die schönen Muttergottesbilder sind alle außer Land spaziert und über alle dem vielleicht noch zu guter Letzt eine Kriegsstener? ? Uud wenn sie nur was nützte», die heillosen Kriege! So aber was haben wir denn in Italien erreicht? Daß hinterdrein Palmerston uns durch seinen Handelsvertrag mit Sardinien den Vortheil vor der Nase wegfischt! Was hat uns der Krieg in Ungarn genützt, wo unsere besten Kerntruppen ausgerieben wor­den sind? Daß wir eine ungeheure Armee von Militär und Gensd'armcrie erhalten müssen, weil die böswillige Fraction trotz Windischgrätz und Haynau uoch immer uicht ausgerottet ist! Und selbst die kann nicht einmal verhindern, daß ganze Näuberbauden in den Gebirgen Hausen und sogar die Straßen unsicher machen. Und was das Schönste dabei ist die Eroateu uud übrigen Slavenstämme, mit deren Hilfe wir Ungarn unterjochten, treten in's Lager des besiegten Feindes über und lassen sich bei der Con- seription als Madjaren einschreiben! Der Teufel hat den Krieg erfunden, wobei der ruhige Bürger, mag's gut oder schlecht ausfallen, am meisten gestraft wird. Uns Be­sitzenden kostet so ein Spaß immer ein Heidengeld und am Ende ist doch nichts damit erreicht, und das Paeificiren kostet neue Summen, die das verwüstete Land in 2l) Jahren nicht ersetzen kann. Da fange man doch lieber gleich beim Paeificiren an!" Gemüthlich nimmt er nach diesem echanffirenden Selbstgespräch eine Prise, und kommt durch einen natürlichen Jdecngang auf das zweite Gerücht, das seit eiuer Woche unsere Stadt durchirrt.Uud um was raufen sich die Leute eigentlich herum? Um die Herr­schast in Deutschland!? Mein Gott! da lob' ich mir die gute alte Zeit; da haben wir kanm gewußt, daß überhaupt ein Deutschland existirt. (Pause.) Aber wenn man die Sache beim Lichte betrachtet unterm Mettcrnich war's freilich ruhig sehr ruhig; allein wenn ich denke, was wir hier in Wien schon alles ausgestanden haben um der Freiheit willen, Katzenmusiken, Krawalle uud zuletzt gar die blutige Octobergeschichte, wobei ich selber meinen Schwiegersohn verloren habe und jetzt sollen wir das alles umsonst, ganz umsonst erlitten haben?? Nein! das geht nicht, das kann nicht sein. Einen Sinn muß das Ganze denn doch haben; hat doch unser guter Kaiser Ferdinand selbst die deutsche Fahne geschwungen! Und nnser jetziger Kaiser Joseph kann doch seinen Onkel, der ihm znlicb vom Thron gestiegen ist, nicht so vor den Kopf stoßen, daß er das wieder nmwirft, was jener aufgebaut. Zwar ist er noch jung aber er ist Soldat, und die halten viel auf Ehrenwort, wie ich von meinem sel. Bruder weiß, der sich wegen einer Spielschuld, für die ich durchaus nicht mehr caviren wollte, erschos­sen hat. Der sagte stets: powt ä'Ironnour das ist des Kriegers oberstes Gesetz!"