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mern hätte in den Kauf nehmen müssen. Cromwell's tigeilthümlicher Charakter — der übrigens noch immer von W. Scott in seinem leichtsinnig hingeworfenen Gemälde: Woodstock am besten getroffen ist — ging ganz aus den Bedingungen seiner Zeit hervor; eigentliche Wiederholungen kennt die Geschichte nicht. —
Wie Herr Carriürc die Memoiren von Carlyle, so legt Herr Pipitz seiner Biographie von Mirabeau die Memoiren von Lucas Montigny zu Grunde, aber mit größerem Erfolg — wobei wir freilich nicht übersehen dürfen, daß die Aufgabe eine leichtere ist. Denn einmal können wir das abenteuerliche, aber iu seiner Art immer verständige Leben und Denken des französischen Revolutionärs Schritt für Schritt bis ins kleinste Detail verfolgen; in dem, was uns von ihm vorliegt, ist eigentlich kein irrationales Moment zu überwinden, während wir den wüsten Jargon, in den Cromwcll seine tiefen Gedanken versteckt, erst wegschaffen müssen, um ihn zu verstehen. Sodann ist Mirabeau seinem Wcseu nach viel einfacher und verständlicher, ganz wie die Zeit, die ihn hervorbrachte. Das soll übrigens dem Verdienst des Herrn Pipitz, diesen bedeutenden Menschen dem größern Pnblicum explicirt zu haben, keinen Abbruch thun, und ebensowenig soll uns die etwas zn weit getriebene Vorliebe für seinen Helden stören, die bei einem gewissenhaften, liebevollen biographischen Studium kaum zu vermeiden sein dürfte. —
Einen betrübenden Eindruck macht das Werk von Bruno Bauer. Die Art uud Weise, wie dieser in Abstractioncn verknöcherte dogmatisch-skeptische Philosoph Geschichte schreibt, haben wir schon früher auseinandergesetzt: aber jede ueue Anwendung der alten Methode wird immer schwächer. Auch der beste Kopf muß zuletzt den Verstand verlieren, wenn er allen Erscheinungen des Lebens und der Geschichte ohne Unterschied mit gleicher Ironie nachgrinst, aber nicht mit dem heitern Phlegma des Cynikers, sondern mit der beständigen Kränkung eines verkannten Systems. — Wenn er die Revolutionärs tadelt, daß sie sich einbildeten, etwas zu wollen und zu vermögen, während sie eigentlich nichts wollten, nichts wollen konnten, so sollte man erwarten, die Centren, die das einsahen, oder die Reaction, die das benutzte, würden gelobt werden; aber nein, die Einsicht, zu der der Kritiker das Recht hat, ist bei dem Politiker verwerflich. So hat denn diese Darstellung keinen andern Zweck, als in dem beständigen, fruchtlosen Kampf der Impotenz mit der Impotenz nachzuweisen, wie das Zeitalter im Zustand der völligen Fäuluiß begriffen ist — eine Darstellung, die nicht nur widerlich, sondern auch im höchsten Grade langweilig ist. Es kommen immer die nämlichen Tiraden zum Vorschein, die nämliche Ironie der Form mit Gänsefüßchen, eine zerstreute, principlose Lectüre, der vollständige Mangel an aller unmittelbaren Anschauung, an allem Sinn für das Charakteristische; die totale Abgcstnmpftheit für deu Eindruck der gegenständlichen Welt, während doch nur die Freude am Objectiven den Historiker berechtigt. Wozu gibt er sich denn die Mühe, diese Misöre zu schildern, wenn sie wirklich ganz uud blos Misere ist? — Nicht einmal ueue Witze und Paradoxicn finden sich in dieser zweiten Auflage der „bürgerliche Revolution", man kann halb im Schlafe weiter lesen, man weiß doch immer, wie es weiter geht. — Gegen diese fade, farblose Darstellung stechen die dreisten, pikanten Skizzen Walter's, auf den übrigens Bauer's Schriften großen Einflnß gehabt haben müssen, sehr vortheilhaft ab.
Verlag von F. L. Herbig. — Redacteure: Gustav Freytag uud Julian Schmidt.
Druck von C. E. Elbcrt.