629
lern lassen; er reorganisirte im Stillen seine Partei und war in einigen Iahren start genug, das Nuder des Staats von Neuem in die Hand zn nehmen. Es soll nns das eine Lehre sein. Bei nns ist die numerische Stärke der Partei im Parlament zwar nicht ein unbedingtes Kriterium für ihre thatsächliche Bedeutnug; uoch hat das parlamentarische Leben nicht so feste Wurzeln, geschlagen, daß wir in ihm ein sicheres Thermometer hätten für unsere Politik. Aber es wäre eine falsche Rechnung, wenn man darum die Staatsgewalt der blos physischen Kraft beilegte. Auch unsere, der Tendenz nach absolutistische Negieruug hält sich nur durch den Beistand der Masse. In der Masse ist daö Augedeukeu au die materiellen Verluste der Revolutionszeit noch so groß, daß der conserva- tioe Fanatismus noch im Steigen ist; aber in Kurzem mnß eine natürliche Neaetion eintreten. Uusere Freuude solleu nicht vergessen, daß der einzig richtige Grundsatz eiuer politischeu Partei ist: ich warte auf meine Zeit.
Eö ist iu dem gegenwärtigen Augenblicke nm so nothwendiger, daran zn erinnern, da die Stimmung in den leitenden Organen der Partei oon der Art ist, als gelte es einen rücksichtslosen Kampf, als gebe es in dem Bestehenden nichts mehr zn verlieren. — Diese pessimistische Stimmung, die den politischen Kindern des Jahres 18-58 wohl anstand, ist nnser uicht würdig. — Es ist allerdings noch sehr viel zu erhalteu, uoch sehr viel zn verlieren, nnd wir sollen nns ernstlich besinnen, ehe wir die Schiffe abbrennen.
Für den Augenblick ist doch nicht viel zu thnn. Die zögernde Politik der Regierung ist jetzt ein nothwendiges Resultat der Verhältnisse. Außerdem wäre es ein eitles Vorhaben, sie jetzt stürzen zu wollen. — Eine Partei soll aber uur dauu eiue principielle, d. h. unbedingte, rücksichtslose Opposition machen, wenn sie im Stande ist, selber die Negieruug zu überuehmeu.
Sollten wir darum unthätig sein? Nichts weniger! Uns bleibt,eine sehr wichtige Aufgabe. Wir siud durch die Febrnar-Verfassung, so schlecht sie ist, in die günstige Lage versetzt, conservativ sein zn tonnen. Denn jede Verfassung gewährt wenigstens zweierlei: sie zwingt die Negieruug zur Publieität, nnd hindert sie, wenigstens für die Dauer, willkürliche Gesetze zu gebeu; uud sie gibt der liberalen Partei Gelegenheit, sich zn organisiren. — Für Preußen ist es aber noch uugleich wichtiger, deuu mit der Verwirklichung derselben ist zugleich die Numo'glicht'eit des Bundestags verknüpft, ist zugleich die Grundlage gegeben, auf der die Uuiou sich aufbauen läßt. — Niemand wird aber lengnen, daß trotz aller Eidschwüre die preußische Verfassung uoch in einer Krisis ist. — Die Opposition hat die Fähigkeit nnd die Pflicht, die allzu tollen Maßregeln der Negieruug,. z. B. iu dem Preßgesetz, zu hintertreiben; sie soll dahin trachten, dnrch gesetzliche Formen die Wiederkehr ähnlicher Willkiu lieh teilen zu verhüten; geht sie aber weiter, uud macht eine Opposition, wie die würtembergischen Kammern — was man z. B. ans dem leidenschaftlichen Auftreten ihrer Organe, wo kein