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Der Tscherkessenproceß in Bromberg.
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weil ihre alten zerschossen und zerhauen waren; überall wurden sie als ritterliche und edle Burschen gepriesen, und waren die romantischen Helden aller Thee­gespräche länger, als gerade nöthig gewesen wäre.

Anch das Hauptmotiv dieser kleinen Tragödie, die Cartellconvention zwischen Preußen und Rußland vom 20. Mai '18-4-4, soll hier nicht näher erörtert werden; das menschliche Gefühl sträubt sich eutschiedeu gegen eine solche Maßregel, und doch ist sie auf der audern Seite, besonders von den Verwaltungsbehörden der posenschen und oberschlesischen Grenzkreise, als eiue im Iuteresse des preußischen Staats liegende Maßregel dargestellt nud ihre Wiedereinführung driugeud bean­tragt worden, als sie währeud einer kurzeu Zeit außer Kraft gewesen war. Die zahlreichen Desertionen russischer Soldateu waren eine sehr erklärliche Folge der Aufhebung, ebenso daß sich unter und neben denselben viel schlechtes Gesindel einfand, welches vagabondirend gannernd, und stehlend die Sicherheit von Person nnd Eigenthum gefährdete, die Polizeibehörde der Greuzkreise fortwährend in Athem hielt, die preußischen Gefängnisse füllte uud so dem Staat in vielfacher Art zur Last siel. Die Gründe gegen die Cartellconvention aber liegen auf der Haud, und es ist am andern Orte in diesem Blatt bereits darüber gesprochen worden.

Aber es sind bei dieser unglücklicheu Affaire außer -4 Tscherkessen 2 preu­ßische Soldaten getödtet, mehrere schwer verwundet worden, und das Vorwerk, in welches sich die flüchtigen Tscherkessen gezogen, ist durch das preußische Mili- tärcommando selbst in Brand gesteckt worden. Der dadurch verursachte Schaden wird ans fast Thlr. abgeschätzt. Die Staatsregiernng hat ihre Eutscheidiguugs-

Verbindlichkeit in Abrede gestellt und den Besitzer des Vorwerks an die Per­sonen verwiesen, welche die Braudanlegung befohlen haben.

Das Benehmen des Landraths sowohl, als des commandirenden Rittmeisters ist dnrch die Presse bereits vielfach besprochen und verurtheilt worden. Aus der öffentlichen gerichtlichen Verhandlnng ist kein Unrecht des Landraths zu ersehen. Er hat als Beamter seine Pflicht gethan, wenn er die Tscherkessen aufforderte ihre Waffen abzulegen, uud die bewaffnete Macht reqnirirte, als sie nicht Folge leisteten. Anch hat er als Civilbeamter von dem Augenblick an, wo die assisti- rende bewaffnete Macht zur Gewalt schreitet, zurückzutreten uud dieser die Aus­führung zu überlassen. Daß es bei den Tscherkessen für eine Art von religiösem Ehrenpnnkt gilt, ihre Waffen nicht abzulegen, und daß anch in Nußland, nach dem Zenguiß des aus Warschau iu die Zeugenloge citirten preußischen Officiers, bei Arre- ftation vou Tscherkessen diesen die Waffen niemals abgefordert werden, das zn wissen, war er als preußischer Beamter durchaus nicht verpflichtet. Nach preußischem Gesetz aber mußten sie als ein fremder bewaffneter Trnpp uuter allen Umständen

^) Der Proceß gegen die cmS Nußland ciuf preußisches Gebiet übergetretenen Tscher­kessen, verhandelt vor dem Schwurgerichte zu Broinvcrg. Vromberg, Levit.