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Emile Augier.
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aber nicht an die einfache und ziemlich interessante Erzählung deö Atheuäus ge­halten, sondern eine Intrigue darans gemacht, die zu verwickelt ist, um wahrhast spannen zu können. Um acht Tage laug die schöue Courtisane genießeu zu könueu, verkauft der junge Flötenspieler Chalcidias seine Freiheit, mit der Absicht, sich nach Ablauf derselben zu todten. Der punische Geizhals Bomilkar kauft ihu, weil er weiß, daß Lais ein nicht unbedeutendes Interesse an ihm nimmt, und weil er hofft, von ihr einen großeu Gewiun zu ziehen. Er erzählt ihr, welches Opfer Chalcidias um ihreu Besitz gebracht hat, uud veranlaßt sie, aus Dankbarkeit für seine Befreiung hun­dert Talente zu zahlen. Ans Dankbarkeit wird Liebe, und die Courtisane geht als brave Frau mit dem armeu Flötenspieler dnrch. Der Anlage nach ist dieses wohl das schwächste von Angier's Stücken, dagegen hat seine Sprache an Kraft uud Lebeu gewouueu. Nur mit der Correctheit derselbeu ist die frauzösische Kritik uoch keineswegs zufriedeu. Sie ist darin znm Heil der Poesie und nament­lich der Bühue bei Weitem strenger als unsere deutsche Kritik, die sich deu lächerlichsten Schwulst, die uuerträglichsteu Trivialitäteu, und eine Combination heterogener Begriffe gefallen läßt, die ein Hohu ist gegeu deu gesunden Men­schenverstand und das Gefühl des Schönen. Unter Correctheit versteht die französische Kritik gauz mit Recht jeue Eiuheit deö Stils und des Tons, ohne die kein Kunstwerk denkbar ist. Bei der Schule Victor Hugo's, wie bei unserer juugdeutscheu, scheint es dagegen zur wahren Poesie zu gehören, weuu man fortwährend aus dem kühnsten Schwuug metaphysischer Bilder iu das Haushalt­geschwätz der Wäscherinnen gehetzt wird. I^e «IM e'est, I'Konilno; die Jncor- rectheit uuseres Ausdrucks liegt in der Unsicherheit uusers Deukeus und in der Haltlosigkeit unsers Charakters.

Aber alle die augedeuteteu Schwächen uusers Dichters siud unr die Fehler eines großen Talents von erustem Strebeu, uur uoch ohne die volle Reife der künstlerische!! Bildung uud die Tiefe eines über die Oberfläche hinausgehenden Studiums der menschlichen Natur. Iu diesem Sinne wollten wir das deutsche Publicum aus ihu aufmerksam machen.

Ans dem Königsschloffe von Warschau.

In dem alten Königöschlosse zn Warschan thront der Herr von Polen , der erste Diener seines Kaisers, der Fürst Paskiewicz, Gras von Warschau, Eriwan :c., Statthalter des Königreichs, Generalfeldmarschall ?c. Das Haus, in welchem er wohnt, hat seine historischen Merkwürdigkeiten, die zahlreichen Erinnerungen an die polnischen Negeuten verloren; was des Forttragens werth war, wurde nach